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Hyperbolische Häkelarbeiten

Man kann eine Superkraft erwerben, die trübe Sonntage strahlend macht. Damit entdeckt man selbst in Schnarchkäffern aufregende Dinge.  

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Foto: BZ-Grafik
Der Sonntag war insgesamt trüb, die Stimmung so lala, da geht man, weil einem nichts Besseres einfällt, auch mal ins Museum. Die Ausstellung schien dubios: Gezeigt wurden "hyperbolische Häkelarbeiten", irgendwas mit Klimawandel und Weltmeeren, kapieren konnte man’s nicht so recht. Die Erwartungen waren also gering, wir schlurften durch den Eingang, und unversehens tat sie sich auf wie eine Erscheinung: eine Wunderwelt aus glühenden Farben, organisch miteinander verwobenen Gebilden, zauberhaften Unterwasserwelten aus Wolle, Wolle, Wolle, Plastikstreifen, Textilfetzen, alten Tonbändern. Zwei australische Schwestern, erfuhren wir, hatten Menschen dazu animiert, Korallen zu häkeln, um auf die Vermüllung der Weltmeere mit Plastik aufmerksam zu machen. Omas, Schulklassen und Nähkränzchen in aller Welt hatten daraufhin 40.000 Korallengebilde gehäkelt und eingeschickt, im Museum wurden sie zusammengesetzt zu aufragenden wollenen Riffen. Schräg. Wir wanderten gebannt durch Räume und Welten, und am Schluss gingen wir gleich nochmal zum Anfang zurück, weil wir nicht genug kriegen konnten.

Ein Museum kann also aus einem trüben einen strahlenden Sonntag machen, einfach so. Oder einen verrätselten, auch nicht schlecht. Einmal waren wir schon auf dem Weg zum Ausgang, als wir in einen Nebenraum gerieten, wo ein Klangkunstwerk aufgebaut war. Nie zuvor gehört, sowas. Ein verrückter Schweizer hatte Pappkartons an die Wände gestapelt und an jedem Karton eine Vorrichtung angebracht, mit der ein kleiner Ball an einer Schnur tanzte. Der Ball hüpfte auf dem Pappkarton auf und ab und machte jedes Mal ein Plopp-Geräusch. Plopp, plopp, hundertfach ploppte es an dieser raumfüllenden Kartonwand leise vor sich hin, ein sanftes, geradezu hypnotisches Klangrauschen, ungemein beruhigend, dazu die Bewegung der Bälle – wir schauten und hörten und staunten. Keine Ahnung, was das alles sollte, aber es war grandios.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass nicht alle Museumserlebnisse toll sind. Manche Museen sind langweilig, man sieht nur Zeugs unter Glas. Andere machen es ihrem Publikum schwer. Wer sich strecken oder bücken muss, um Infotafeln in Winzschrift zu lesen, hat schnell keine Lust mehr. Und bereut Aufwand und Eintritt, den so ein Museum halt kostet.

Mir macht das nichts aus. Denn ich erwerbe regelmäßig eine Superkraft, die mir dann ein Jahr lang zur Verfügung steht: den "Museums-Pass-Musées". Das ist der erste trinationale Museumspass in Europa, ein demokratisches, europäisches Projekt, ganz groß im Kleinen. Ein Mal 123 Euro zahlen, und das Plastikkärtlein garantiert mir Eintritt in mehr als 360 Museen, Schlösser und Gärten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, und ich muss nie mehr Schlange stehen am Ticketschalter. Nicht alle meine Anschaffungen sind sinnvoll, diese ist es. Von Bern bis Frankfurt, von Nancy bis Heidenheim stehen mir Häuser offen, und wenn mal eines nicht ganz so aufregend ist, was soll’s, das nächste ist es bestimmt.

Einige Entdeckungen habe ich schon gemacht. Nummer 1: Am Fuß der Vogesen, in einem Schnarchkaff namens Wattwiller, gibt es in einer ehemaligen Mineralwasser-Abfüllanlage ein Zentrum für zeitgenössische Kunst. Das letzte Mal, als ich dort war, hatten Künstler Wasserwesen aus Keramik geformt, die so gar nichts mit dem Elsass ums Museum herum zu tun hatten. Nummer 2: Die Saline Royale Arc-et-Senans in der Nähe von Besancon ist eine ehemalige Salzfabrik (eine Schnapsidee von Ludwig XV., die nie funktionierte) und heute Ausstellungsgelände und Unesco-Weltkulturerbe. Nummer 3: Das Museum Art.Plus in Donaueschingen. Das ist zwar klein, aber ich sage nur: Plopp.

Falls Sie handfestere Unterhaltung wünschen, auch das gibt es mit dem Kärtlein, etwa das Alpine Museum der Schweiz in Bern oder das Unimog-Museum in Gaggenau. Oder ein Gepäckmuseum im elsässischen Haguenau und das Römische Freilichtmuseum Hechingen-Stein auf der Schwäbischen Alb. Und da sind noch das Chateau de Lunéville in Lothringen, die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, das Centre Pompidou-Metz, die meisten Freiburger Museen – und wer schon immer mal wissen wollte, wie das Kurhaus nach Baden-Baden kam, geht ins dortige Stadtmuseum. Besonders zu empfehlen an einem trüben Sonntag.

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