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Gescheitert – oder doch ein Erfolg?

Wulf Rüskamp
  • Fr, 04. März 2016
    Südwest

     

SCHULPOLITIK: Die Parteien streiten vor allem über die Gemeinschaftsschule und ein bisschen auch übers Gymnasium.

Wie geht es weiter mit der Schule? Die Unterschiede in den Antworten der Parteien auf diese Frage waren als das große Konfliktfeld für den Landtagswahlkampf angekündigt. Doch die Flüchtlingsdiskussion hat dieses landespolitische Hauptthema in der Öffentlichkeit weitgehend überdeckt. Unwichtig ist es darüber aber nicht geworden – auch in der kommenden Legislaturperiode werden Schul- und Bildungspolitik die Debatten im Stuttgarter Parlament beherrschen. Denn hier hat das Land am meisten zu entscheiden.

Die Konflikte werden auch nicht schwinden, weil SPD und FDP in ihrem Wahlprogramm für einen "Schulfrieden" plädieren, also für ein Ende der Debatte um die Schulstruktur. Dies läge eigentlich nahe, sind sich doch die im Landtag vertretenen Parteien im Grundsatz einig, dass an die Stelle des traditionell dreigliedrigen Schulsystems (nach Ansicht mancher mit beruflichen Schulen und Werkrealschule sowie Sonderschulen längst ein mindestens sechsgliedriges) das Zwei-Säulen-Modell getreten ist.

Darin bildet das Gymnasium die eine Säule, an der niemand – ausgenommen die Linke, die "eine Schule für alle" flächendeckend fordert – ernsthaft rüttelt: Das wäre, so hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann frühzeitig gewarnt, "politischer Selbstmord". Strittig ist aber, ob es beim achtjährigen Gymnasium bleiben soll oder ob auch neun Jahre Dauer möglich sein sollen: Die Grünen wollen G 8 "weiterentwickeln", die SPD möchte auf keinen Fall pauschal zu G 9 zurückkehren, was die Linke unbedingt anstrebt. Die CDU will die Entscheidung den Schulen und Schulträgern überlassen, die FDP dagegen die bisherigen Schulversuche zu G 9 auslaufen lassen. Und die AfD kann mit beidem leben.

Das Modell der

zwei Säulen

Die zweite Säule teilen sich Haupt- und Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschule. Davon ist am umstrittensten die erst 2012 eingeführte Gemeinschaftsschule, die für die CDU laut Wahlprogramm "gescheitert" ist. Deshalb will sie es bei den jetzt 271 Gemeinschaftsschulen im Land belassen und ihnen die Chance anbieten, sich "weiterzuentwickeln" – was konkret bedeutet: Sie sollen Noten und Sitzenbleiben einführen, homogene Klassen unterrichten und deren Leistungsunterschiede deutlich machen – womit Grundideen dieser neuen Schule aufgeben wären. Ähnlich rigoros gegen die Gemeinschaftsschule äußert sich nur die AfD ("ideologischer Ansatz der Gleichmacherei"). Die FDP hat zwar Bedenken, will der Schulart aber Bestandsschutz geben – im Rahmen der Bildungsregionen, die in eigener Verantwortung die jeweilige Schulform festlegen sollen. Grüne und SPD bekennen sich dagegen zur Gemeinschaftsschule, wollen sie auch mit gymnasialen Oberstufen dort ausstatten, wo die Schülerzahl ausreicht. Die Linke unterstützt dies – nur geht es ihr zu langsam mit der Reform.

Bislang sind es vor allem Haupt- und Werkrealschule, die sich von der Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule die Sicherung ihres Standorts versprechen. Denn sie leiden unter Schülerschwund. Abschaffen will sie aber niemand, FDP oder CDU wollen sie sogar stärken. Erst recht gilt dies für die Realschule – die letztlich aus Sicht der CDU und der FDP das Auffangbecken werden soll, wenn Hauptschulen zu klein werden, um eigenständig zu sein. Dann müsste die Realschule auch den Hauptschulabschluss anbieten – und dieser Leistungsunterschied soll, so will es die CDU, in der Klassenaufteilung sichtbar sein. Grüne und SPD wollen die Realschule zwar auch erhalten, doch soll sie die Schüler auf Hauptschulniveau integrieren. Mit diesem Gedanken kann sich die FDP anfreunden – aber die Gemeinschaftsschulpädagogik dürfe der Realschule nicht aufoktroyiert werden.

Die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung will nur die AfD zurückhaben; aber CDU und FDP möchten den weiterführenden Schulen zugestehen, sich die Empfehlung der Grundschullehrkräfte anzuschauen, um ihre neuen Erstklässler besser einschätzen zu können. Denn die Sitzenbleiberquoten sind der CDU zu hoch – sie fordert deshalb eine intensivere Beratung der Eltern. Grüne und SPD sehen dagegen keinen Bedarf, etwas zu ändern – Beratungen gebe es bereits.

Weitestgehend einig sind sich die Parteien in der Frage Inklusion: Die Sonderschulen, inzwischen in Bildungs- und Beratungszentren umbenannt, sollen erhalten bleiben, Kinder mit Behinderung aber in allen Schularten aufgenommen werden. Bei diesen Entscheidungen müsse stets das Kindeswohl im Fokus stehen.

Ressort: Südwest

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