Bildung
Gericht zweifelt an Rechtmäßigkeit von Potenzialtest für Gymnasien in Baden-Württemberg
In diesem Jahr gilt für Viertklässler erstmals wieder ein strengeres Verfahren beim Übergang aufs Gymnasium. Daran äußert nun ein Gericht Zweifel – zumindest an einem Element.
dpa
Mi, 9. Apr 2025, 8:14 Uhr
Südwest
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Wollen Eltern ihr Kind trotz einer anderslautenden Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg aufs Gymnasium schicken, muss das Kind seit Kurzem einen zusätzlichen Potenzialtest absolvieren. Nun hat ein Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Teils der Neuregelung geäußert. Es bestünden nicht unerhebliche Bedenken in Bezug auf die Rechtsgrundlage des Potenzialtests und damit dessen Rechtmäßigkeit, heißt es in einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe.
Der Potenzialtest wurde im Februar erstmals durchgeführt und ist ein Element der verbindlicheren Grundschulempfehlung, die für die derzeitigen Viertklässler erstmals greift. An Stelle des reinen Elternwillens steht ein Modell aus drei Komponenten: der Lehrerempfehlung, dem Leistungstest "Kompass 4" und dem Elternwunsch. Stimmen zwei von drei überein, soll das den Ausschlag geben.
Der Potenzialtest für Grundschulkinder hat bereits für viele Diskussionen gesorgt. Er wird an den Gymnasien durchgeführt und von Lehrkräften dort korrigiert. Bereitgestellt wird er vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW).
Gericht: Wesentliche Entscheidungen nicht der Schulverwaltung überlassen
Genau das sieht das Verwaltungsgericht Karlsruhe kritisch. Staatliche Bestimmungen müssten einen Sachverhalt umso detaillierter regeln, je intensiver der entsprechende Eingriff in Grundrechte sei, argumentierten die Richter. "Wesentliche Entscheidungen im Schulwesen muss der Gesetzgeber selbst treffen und sie dürfen nicht der Schulverwaltung überlassen werden."
Die zuständige Kammer habe Zweifel geäußert, ob das bei den Regeln zum Potenzialtest der Fall sei, teilte das Gericht mit. Weder das Schulgesetz noch die Aufnahmeverordnung legten Mindestvoraussetzungen des Tests vor, um an einem Gymnasium aufgenommen zu werden. Stattdessen werde das dem IBBW überantwortet.
Die maßgebliche Verordnung lege fest, dass im Potenzialtest die erforderlichen Mindestwerte für das Anforderungsniveau des Gymnasiums erzielt werden müssen, teilte ein Sprecher des Kultusministeriums mit. "Die Festlegung, welche Leistung im Test für das gymnasiale Niveau ausreichend ist, ist eine fachliche Einschätzung, die von dem Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Aufgabenstellung abhängt." Auch bei zentralen Prüfungen wie etwa dem Abitur sei nicht in einer Verordnung oder einem Gesetz festgelegt, wie viel Punkte man zum Bestehen erreichen müsse, so der Sprecher.
Opposition sieht "juristische Ohrfeige" für die Landesregierung
Das Gericht hatte über mehrere Eilanträge von Eltern zu entscheiden, die erreichen wollten, dass für ihre Kinder noch die alte Regelung zum Übergang aufs Gymnasium gilt. Diese Anträge lehnte das Gericht ab, äußerte aber dennoch seine Bedenken mit Blick auf den Potenzialtest. Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig.
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FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte die Entscheidung des Gerichts "eine juristische Ohrfeige an (Ministerpräsident Winfried) Kretschmann und (Kultusministerin Theresa) Schopper, wie sie schallender kaum sein könnte". In Rekordzeit habe es Grün-Schwarz geschafft, nahezu jegliches Vertrauen in die neue Grundschulempfehlung zu verspielen. "Bereits Kompass 4 als neues Element der verbindlicheren Grundschulempfehlung hat die grün geführte Landesregierung frontal gegen die Wand gefahren – und dabei bis heute keinerlei Einsicht oder Reue gezeigt, geschweige denn Konsequenzen gezogen."
Um den Leistungstest "Kompass 4" gab es heftige Debatten. Eltern- und Lehrerverbände monierten, dass die Fragen vor allem in Mathematik deutlich zu schwer gewesen waren. Nach Angaben des Kultusministeriums erreichten in Mathe nur 6 Prozent der Teilnehmenden das Gymnasialniveau. 87 Prozent landeten auf dem grundlegenden Niveau, 7 Prozent auf dem mittleren. In Deutsch fiel der Test besser aus.