BZ-Porträt

Zhanna Nemzowa: Genetisches Kapital

BZ-PORTRÄT von Zhanna Nemzowa, Tochter des getöteten russischen Oppositionsführers Boris Nemzow, wird Journalistin.  

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Zhanna Nemzowa   | Foto: dpa
Zhanna Nemzowa Foto: dpa
Zhanna Nemzowa ist die älteste Tochter des im Februar in Moskau in Sichtweite des Kremls erschossenen Oppositionsführers Boris Nemzow – und wie es heißt, war sie Papas Liebling. Von ihm hat sie nicht nur die schwarzen Augen und das naturkrause dunkle Haar geerbt, sondern offenbar auch das Interesse für Politik. Ab August wird sie es bei der Deutschen Welle als Reporterin ausleben können (BZ vom 18. Juli).

"Sie wird mit ihrer klaren Haltung und ihrer Bekanntheit unser erfolgreiches russisches Angebot weiter verstärken", erklärte Intendant Peter Limbourg gegenüber AFP. Nemzowa sagte der Nachrichtenagentur, die Deutsche Welle sei für viele Menschen in Russland eine "vertrauenswürdige Informationsquelle". Sie sei erfreut, in der russischsprachigen Redaktion des deutschen Auslandssender ihre journalistische Erfahrung nutzen zu dürfen, "wie ich das in Russland nicht mehr gekonnt hätte".

Gemeint waren Morddrohungen, die sie im Mai zum Verlassen Russlands zwangen. Bis dahin hatte die 31-Jährige Sendungen beim Geschäftsfernsehkanal RBK moderiert, Politiker und Wirtschaftsexperten interviewt, darunter auch den eigenen Vater. Mit Radio indes hat Nemzowa, abgesehen von einem 17 Jahre zurückliegenden Praktikum beim kritischen Echo Moskwy als Assistentin der Nachrichtenredaktion bisher keine Erfahrung.

Doch das wichtigste Kapital, das Nemzowa nach Bonn mitbringt, ist ohnehin nicht das journalistische, sondern das genetische. Die DNA, die für russische Karrieren schon öfter Treibmittel war. Beispiel: Marija Gaidar, die Tochter von Jegor. Ihn ernannte Boris Jelzin 1991 zum ersten Regierungschef des postkommunistischen Russlands, Zhannas Vater Boris Nemzow sechs Jahre später zum Ersten Vizepremier. Auch ihren Kindern standen dadurch alle Türen für den Weg nach ganz oben weit offen. Zhanna wie Marija – beide sind in etwa gleichaltrig –, besuchten in Moskau zunächst die gleiche Elite-Schule, dann studierten sie an Elite-Universitäten. Zhanna Management und danach Jura.

Anfang der Nullerjahre, als Papas Partei – die neoliberale Union der Rechten Kräfte (SPS) – noch in der Duma vertreten war, arbeitete sie als Assistentin der Fraktionsführung und leitete den SPS-Jugend-Business-Club. Ehemalige Mitglieder behaupten, sie habe sich schon damals leidenschaftlich für Wertpapiere interessiert. Auch das womöglich DNA-bedingt: Mutter Raissa soll seit Jahren sehr erfolgreich an russischen Börsen spekulieren. Damit verdient inzwischen auch Zhanna selbst ihr Geld. Als Vizepräsidentin der Investment-Gesellschaft Mercury Capital Trust, die sie 2007 zusammen mit ihrem frisch Angetrauten, dem 15 Jahre älteren Banker Dmitri Stepanow gründete. Politisch war sie weniger erfolgreich als die Gaidar-Tochter. Marija machte mit spektakulären Anti-Putin-Aktionen Schlagzeilen und dient seit Freitag letzter Woche einem Intimfeind des Kremlchefs als Beraterin: Georgiens Ex-Staatschef Michail Saakaschwili, den der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko zum Gouverneur der Schwarzmeer-Region Odessa ernannte.

Zhanna dagegen fuhr bei Wahlen zum Moskauer Stadtparlament, wo sie 2005 für die Neoliberalen kandidierte, das zweitschlechteste Ergebnis ein. Blass blieb sie auch bei anderen oppositionellen Bündnissen und den Massenprotesten nach den umstrittenen Parlamentswahlen 2011, bei denen der Vater eine tragende Rolle spielte. Der neu geschaffene Solidarnosc-Preis für Menschenrechte, den Nemzowa im August für ihren "Einsatz für Demokratie und Menschenrechte" entgegennehmen soll, wie Polens Außenminister Grzegorz Schetyna es formulierte, ist daher vor allem eine Ehrung für den ermordeten Vater.

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