Account/Login

Gemeinsam züchten und ernten

Dominik Bloedner
  • So, 30. Juni 2024
    Südwest

     

     1

Ab Montag dürfen Cannabisvereinigungen beim Regierungspräsidium einen Antrag auf Erlaubnis zum Anbau stellen. Landesweit stehen hunderte dieser Clubs in den Startlöchern.

Ab Montag dürfen Anträge gestellt werd...nd, legen die Anbauvereinigungen los .  | Foto: Sebastian Gollnow
Ab Montag dürfen Anträge gestellt werden. Sobald diese genehmigt sind, legen die Anbauvereinigungen los . Foto: Sebastian Gollnow
Es geht weiter voran mit dem bereits am 1. April in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetz. Seitdem ist Erwachsenen der private Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit erlaubt, ebenso – mit Einschränkungen – der Konsum und der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen.

Ebenfalls geregelt wurde, dass ab dem 1. Juli Anbauvereinigungen, sogenannte Cannabisclubs erlaubt sein werden. Nun beginnt die Anmeldeprozedur. Zuständig für das Erlaubnisverfahren in ganz Baden-Württemberg ist das Freiburger Regierungspräsidium, die Anträge können schriftlich oder elektronisch eingereicht werden. Das Regierungspräsidium Tübingen wiederum übernimmt landesweit die Überwachung der Anbauvereinigungen, das heißt, es kontrolliert die Anbaubereiche und die Einrichtungen der jeweiligen Anbauvereinigung, prüft deren Dokumentation und sonstige Unterlagen und entnimmt Proben, die dann anschließend im Labor untersucht werden sollen.

Gemeinsam züchten und ernten, das dürfen die Mitglieder der Anbauvereinigungen. Das Cannabis darf nur an sie zu deren Eigenkonsum weitergegeben werden; gewinnorientierter Anbau hingegen ist verboten.

Im Freiburger Regierungspräsidium macht man sich auf eine Flut von Anträgen gefasst. Regierungspräsident Carsten Gabbert sagt: "Zwar können wir im Mo-ment noch nicht absehen, wie viele Anträge von Anbauvereinigungen in Baden-Württemberg eingehen werden, wir rechnen aber mit einer Zahl im dreistelligen Bereich." Für die Bearbeitung der Anträge, die maximal drei Monate dauern soll, habe sich das RP in den vergangenen Wochen so gut wie möglich aufgestellt. "Wir sind gespannt, was uns erwartet."

Das Bundesgesundheitsministerium hat im Gesetzentwurf geschätzt, dass bundesweit anfänglich 3000 Anbauvereinigungen eine Erlaubnis anstreben werden und jährlich etwa 150 Neuanträge hinzukommen. Heruntergebrochen auf Baden-Württemberg wären das also knapp 400 Erstanträge und etwa 20 Neuanträge pro Jahr. Einer, der schon länger in den Startlöchern steht, ist Ralf Hempel. Der 39-Jährige arbeitet als Hausmeister im Öffentlichen Dienst und ist Mitbegründer und Vorstand des im Juni 2023 ins Leben gerufenen Cannabis Social Club Freiburg. Er sagt: "Ja, wir sind bereit. Wir haben Anbaufläche reserviert. Diese wird mit entsprechendem Equipment ausgestattet, sobald wir die Lizenz erhalten haben."

200 Mitglieder hat der Verein, ein vorläufiger Aufnahmestopp musste verhängt werden. Das Interesse ist groß. Wer sind die Mitglieder? "Anders als vielleicht manche erwarten, gehören unsere Mitglieder nicht zum jungen Klientel, die meisten sind mehr als 50 Jahre alt – Menschen, die absolut gefestigt im Berufs- und Privatleben stehen", sagt Hempel. Sein Verein setzt auf einen verantwortungsvollen Konsum, auf Aufklärung und Prävention von Missbrauch. "Es ist an der Zeit gewesen. Wir sind eine offene Gesellschaft, die Fakten sprechen für sich", freut sich Hempel über die Entkriminalisierung.

In Südbaden sind bereits mehrere Cannabisclubs im Vereinsregister eingetragen, etwa in Lahr, in Gundelfingen, in Rheinfelden, Waldshut, Emmendingen oder Offenburg – Tendenz steigend. Es gibt hohen Informationsbedarf, der Markt ist in Bewegung. In Lahr veranstaltet der Holy Green Paradise Cannabis Social Club Infoabende mit Themen wie Cannabis Produktion in modernen Hightech-Anlagen, Erfahrungen zur medizinischen Anwendung von Cannabis oder zum Kulturwandel mit Cannabis in der Familie. Mehrfachmitgliedschaften in Cannabis Social Clubs sind verboten.

Im Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsministerium gibt man sich zuversichtlich. "Wir sind für den Betrieb von Anbauvereinigungen nach dem Konsumcannabisgesetz in Baden-Württemberg sehr gut aufgestellt", teilt Minister Manfred Lucha (Grüne) mit. Und weiter: "Aus suchtpolitischer Sicht unterstütze ich die Ziele des Konsumcannabisgesetzes, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken."

Die angekündigte zweite Säule des Gesetzes lässt hingegen noch auf sich warten. Geplant sind regionale Modellvorhaben mit regionalen Lieferketten – also der Verkauf von Cannabis unter staatlicher Aufsicht. Das Bundesministerium für Gesundheit hat andere Ressorts um Beiträge gebeten und will dann einen entsprechenden Gesetzentwurf der Europäischen Kommission zur Prüfung vorlegen – dies allerdings ist bislang noch nicht geschehen.

Um die Effekte der Teillegalisierung – Minderjährige sind ausgeschlossen, der Handel von Cannabis bleibt untersagt, auch gibt es Konsumverbotszonen – zu beurteilen, ist es nach drei Monaten noch zu früh. Das Stuttgarter Ministerium sagt, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen des Konsumcannabisgesetz insbesondere auf den Kinder- und Jugendschutz, auf den Gesundheitsschutz und auf die cannabisbezogene Kriminalität evaluiert würden. In zwei Jahren soll ein Zwischenbericht vorliegen, im April 2028 dann ein umfassender Bericht.

Auch bei Verstößen oder Straftaten gegen das Gesetz, das in den Paragrafen 34 und 36 geregelt ist, gibt es nur wenige Erkenntnisse. Das Stuttgarter Landeskriminalamt teilt auf Anfrage mit: "Nach unserer Kenntnis ist noch kein landes- oder gar bundesweiter, einheitlicher Bußgeldkatalog in Kraft. Daher liegen hier keine Daten zu auf kommunaler Ebene erlassener und bereits vollstreckter Bußgeldbestimmungen in Bezug auf das Cannabisgesetz vor." Die Freiburger Staatsanwaltschaft teilt mit, dass seit dem 1. April insgesamt in 48 Verfahren im Hinblick auf Straftaten nach dem Cannabisgesetz Anklagen erhoben wurden.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom So, 30. Juni 2024: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare (1)

Um Artikel auf BZ-Online kommentieren zu können müssen Sie bei "Meine BZ" angemeldet sein.
Beachten Sie bitte unsere Diskussionsregeln, die Netiquette.

Sie haben noch keinen "Meine BZ" Account? Jetzt registrieren

Aniela Schneider

12306 seit 15. Feb 2014

…. und dann waren da noch die Saatgut-Konzerne ….*)

Hat Bayer (Monsanto) schon seine VereinigungsmitgliederInnensatzung bekanntgegeben und g’sagt, wo die Bayer(Monsanto)-Äckerle sind zum Örbngardening?

Vulgo: Das ist so ein treu-doooof formuliertes Gesetz, wie weilad das Corona-Notstandsimpfgesetz. So viele Wengrtr hat dr Boris Palmer z’Tibegâ auch gar nicht, dass seine Leut‘ bundesweit(?) ‘s Reschiiim machâ könntet.

*) http://www.dw.com/de/saatgut-monopol-saatgutgesetz-agrarkonzerne-ern%C3%A4hrungssicherheit-bayer-corteva-chemchina-limagrain/a-57110489


Weitere Artikel