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Nahostkonflikt

Früherer US-Kommandeur Petraeus: "Ich kann mir keinen schwierigeren Feind vorstellen"

David Petraeus sieht Israel vor einer großen Herausforderung im Gazastreifen. Der ehemalige US-Kommandeur in Afghanistan und im Irak warnt vor der Wiederholung amerikanischer Fehler im Anti-Terror-Krieg.  

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David Petraeus Foto: Attila Husejnow (imago)
BZ: Herr Petraeus, Sie zeigen in Ihrem Buch "Conflict", wie Staatsmänner und Generäle sich seit 1945 immer wieder entscheidend irren. Haben die Israelis im Krieg gegen die Terrororganisation Hamas bisher große politische und militärische Fehler gemacht?
Petraeus: Israels Regierung hat die allgemeinen Ziele klar umrissen – die Zerstörung der Hamas und ihres Juniorpartners, des Islamischen Dschihad, sowie die Zerschlagung des politischen Flügels der Hamas im Gazastreifen. Das Militär hat mit der Erreichung dieser Ziele begonnen. Mein Mitautor Andrew Roberts und ich meinen, dass dies die schwierigste urbane Kriegsoperation, also Straßen- und Häuserkämpfe, seit Ende des Zweiten Weltkriegs sein wird. Für Israels Regierung ist es wichtig, den Verlust unschuldiger Zivilisten zu minimieren. Es wäre auch klug, wenn die israelische Führung erklären würde, wie sie sicherstellen will, dass das Leben der Palästinenser nach dem Konflikt besser sein wird als Gewalt, Tod und Zerstörung unter der Hamas.

"Ich kann mir keine schwierigere Mission und keinen schwierigeren Feind vorstellen" Petraeus

BZ: Wie muss die israelische Armee ihre Bodenoperationen im Gazastreifen führen, um die Hamas auszuschalten und gleichzeitig mehr als 200 israelische und internationale Geiseln zu befreien?
Petraeus: Ich kann mir keine schwierigere Mission und keinen schwierigeren Feind vorstellen. Es handelt sich um einen Feind ohne Uniform, der unschuldige Zivilisten und Geiseln als menschliche Schutzschilde benutzt, der den dichtbesiedelten Gazastreifen sehr gut kennt und sich darin verschanzt. Es ist ein Feind, der sich seit Jahren auf die Verteidigung vorbereitet, der Hunderte von Kilometern an Tunneln gebaut hat, der alle möglichen Explosivwaffen einsetzt und der bereit ist, sich selbst in die Luft zu sprengen. Israels Streitkräfte (IDF) müssen nacheinander jedes Gebäude, jeden Block und jedes Viertel einnehmen und dann mit vielen Soldaten halten und sichern. Die Streitkräfte des Iraks brauchten mit US-Unterstützung 2016 und 2017 etwa neun Monate, um Mossul von den Terroristen des Islamischen Staates zu befreien.

BZ: Welche Erfahrungen haben Sie im Irak als Befehlshaber der amerikanischen und multinationalen Streitkräfte in den Jahren 2007 und 2008 im Kampf gegen Terrorgruppen gemacht?
Petraeus: Wir haben eine Reihe von Operationen in großen städtischen Gebieten durchgeführt, um insbesondere die al-Qaida im Irak, die Jahre später zum Islamischen Staat wurde, sowie die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen zu vernichten. Dies war insbesondere während des "Surge" (Aufstockung der US-Truppen, die Redaktion) im Irak von Anfang 2007 bis Mitte 2008 der Fall. Jede der großen Städte, die wir damals eingenommen und gehalten haben, war eine Herausforderung. Aber die Herausforderung, die Hamas im Gazastreifen zu vernichten, ist noch größer, komplexer und problematischer.

"Israel würde es gerne vermeiden, den Gazastreifen erneut zu besetzen und zu verwalten" Petraeus

BZ: Muss Israel den Gazastreifen nach der Zerschlagung der Hamas erneut besetzen, um eine Wiedergeburt der Hamas oder einer anderen Terrorgruppe zu verhindern?
Petraeus: Israel würde es gerne vermeiden, den Gazastreifen erneut zu besetzen und zu verwalten. In der israelischen Regierung gibt es Stellen, die an einem Post-Konflikt-Plan für Gaza arbeiten. Die USA und andere Länder, insbesondere die Golfstaaten, versuchen, diese Bemühungen zu unterstützen. Experten dieser Länder prüfen Optionen für humanitäre Hilfe, die Wiederherstellung der Grundversorgung, die Wiedereröffnung von Kliniken, Märkten und Schulen sowie die Errichtung von Regierungsstrukturen. Wer den Gazastreifen verwaltet, wird die Reste der Hamas sehr genau im Auge behalten müssen. Er muss gegen Aufständische vorgehen, während er wiederaufbaut.

BZ: Bislang hat Israel noch kein konkretes Konzept für die Zeit nach dem Konflikt vorgelegt...
Petraeus: Je eher die israelische Führung auch nur ein vages Konzept für die Zeit nach dem Konflikt in Gaza bekannt gibt und dafür sorgt, dass das Leben für die palästinensische Bevölkerung in Gaza und auch im Westjordanland besser wird, desto besser. Wenn in naher Zukunft keine fähige, kompetente palästinensische oder internationale Übergangsverwaltung eingesetzt werden kann, wird Israel diese Aufgabe übernehmen müssen. Wie der damalige US-Außenminister Powell vor dem Einmarsch in den Irak im Jahr 2003 bemerkte: "Wenn man es kaputt macht, gehört es einem." Die israelische Führung ist sich dieser Realität bewusst.

"Detaillierte, realistische und gründliche Pläne sind für die Zeit nach dem Konflikt enorm wichtig" Petraeus

BZ: Wie gefährlich ist ein Mangel an Plänen in einer Post-Konflikt-Situation?
Petraeus: Die USA haben im Irak ab 2003 auf die harte Tour gelernt, dass detaillierte, realistische und gründliche Pläne für die Zeit nach dem Konflikt enorm wichtig sind. Nachdem die US-geführte Koalition die Regierung Saddam Husseins gestürzt hatte, erwiesen sich unsere Pläne als unzureichend, und wir verschlimmerten unsere Probleme. Wir lösten die irakische Armee auf, ohne den Leuten zu sagen, wie sie ihre Familien versorgen können. Dann wurden Zehntausende Staatsdiener freigestellt. Wir hätten diese Leute gebraucht, um ein Land zu regieren, das wir nicht vollständig verstanden. Auf diese Weise schufen wir Hunderttausende Menschen, die den neuen Irak bekämpfen wollten, anstatt ihn zu unterstützen.

BZ: Die Vereinten Nationen, die USA und die EU befürworten langfristig eine Zweistaatenlösung zwischen Palästinensern und Israel. Ist dieses Konzept angesichts des Hasses und der Gewalt in Nahost noch realistisch?
Petraeus: Ja, es gibt keine Alternative.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 04. November 2023: PDF-Version herunterladen

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