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Interview

Freiburger Festival widmet sich den Geschwistern Scholl

Das Freiburger Festival Pro erinnert mit einer Ausstellung, Konzerten, Vorträgen und Filmen an die Geschwister Scholl. Kurator Dirk Nabering spricht über das Riesenprojekt im Interview.  

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Bezahlten ihren Mut mit ihrem Leben: Hans und Sophie Scholl (von links) Foto: Dpa/privat

Sie gaben sich den Namen "Weiße Rose": Die Geschwister Hans und Sophie Scholl und all die anderen, meist studentischen Mitstreiter, die vor 75 Jahren vor allem über Flugblätter in Süddeutschland die Verbrechen des Nazi-Regimes anprangerten und zum Widerstand aufriefen. Sie mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen. Mit einem großen Projekt – Ausstellung, Konzerte, Vorträge, Filme – erinnern das Freiburger Festival Pro vom 18. bis 28. April daran. Alexander Dick sprach mit Kurator und Gesamtleiter Dirk Nabering.

BZ: "Beweist durch die Tat, dass ihr anders denkt": Mit solchen Worten suchte die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" vor rund 75 Jahren die Öffentlichkeit in Flugblättern gegen die Nazi-Diktatur wachzurütteln. Ihre Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Herr Nabering, welche Bedeutung haben für Sie Menschen wie die Geschwister Sophie und Hans Scholl? Repräsentierten sie das andere, das bessere Deutschland?
Nabering: Ich bin 1947 in Deutschland geboren. Also typischer Vertreter jener Generation, die sich bange fragt: "Wie hätte ich’s gemacht?" Ich rede hier gar nicht von den Ikonen des Deutschen Widerstands. Ich denke an einfache Leute, die ihr Leben auf’s Spiel setzten, um zu helfen: Verfolgten Quartier, Nahrung, Papiere – was immer sonst vonnöten war – zu vermitteln und bereitzustellen. Stelle man sich vor: Nahe von hier, im Schwarzwald, gibt es einen Bauernhof, auf dem die Eltern Scholl, nach der Ermordung ihrer Kinder, 1944/45 Unterschlupf fanden! Heute ist es bei uns nicht so schwer, "mutig" zu sein.

BZ: Die Freiburger Ausstellung, mit der Sie an den Widerstand gegen die NS-Diktatur erinnern, trägt den Namen "Die Weiße Rose". Was erwartet den Besucher?
Nabering: Eine dokumentarische Darstellung politischer Opposition in Deutschland. Schwerpunkte sind Aktionen der Gruppe "Die Weiße Rose", also des Widerstands von Münchner Studenten gegen Hitler, aber auch vieler anderer Impulsgeber des Deutschen Widerstandes, so zum Beispiel Gedankengut des "Kreisauer Kreises" und der Widerstandsgruppe "Onkel Emil", für deren Andenken ich seit Jahrzehnten aktiv eintrete. Ekkehard Geigers Vortrag beleuchtet auch Verbindungen von Kreisau zum "Freiburger Kreis".

BZ: Die Weiße Rose Stiftung zeigt in der Münchner "Denkstätte Weiße Rose" seit 20. Februar eine neue Dauerausstellung genau zu dem Thema. Kooperieren Sie? Oder basiert Ihre Präsentation auf dem Münchner Konzept?
Nabering: Ja, eine Kooperation. Die Ausstellung ist von der "Weiße Rose Stiftung München", bei der ich sie angemietet habe, zusammengestellt.

BZ: Ein solches Projekt bedarf vielerlei Unterstützung – ideeller und auch finanzieller. Wie kam die Realisation zustande? Wie steht es um die Kosten?
Nabering: Die Idee entstand im Oktober 2016. Meine Frau und ich finanzieren das Projekt, unterstützt von unserem im Dezember verstorbenen Freund Heinrich Schiff. Ideelle Unterstützung zu gewinnen, war schwieriger. Im Herbst schrieb ich 21 Freiburger Adressen und Institutionen an, bekam aber ausschließlich von den Wentzinger Schulen und der Volkshochschule qualifizierte, weiterführende Antworten.

BZ: Zehn Konzerte, zwei Vorträge sowie Filmvorführungen stehen für ein reichhaltiges Rahmenprogramm unter dem Leitmotiv "Verfolgung, Widerstand, Exil". Nach welchen Kriterien haben Sie ausgewählt?
Nabering: Das Rahmenprogramm konzentriert sich inhaltlich, in weit gefasstem Sinn, auf Verfolgung, Widerstand und Exil. Dass Mendelssohn und Mahler in Deutschland verboten waren, ist allgemein bekannt. Dass es eine riesengroße Zahl höchst eigenwilliger, hervorragender Komponisten gab, deren Stimmen im Keim erstickt wurden, wissen nicht viele. Bei uns kommen 36 Komponisten zu Wort. Zahlreiche, erstklassige Künstler wurden nicht nur mit Aufführungsverbot belegt, sondern, in den Vierzigerjahren, in Lagern ermordet – Haas, Klein, Krása, Ullmann zählen dazu. Andere entkamen frühzeitig, lebten (und litten) im Exil – Korngold, Krenek und Tal sind Beispiele. Außer so vielen vom NS-Terror Verfolgten wollte ich aber auch Komponisten zu Wort kommen lassen, die unter anderen Beweggründen verfolgt wurden oder umkamen, beispielsweise als Opfer von Stalin – Lourié, Golyscheff, Mossolow und viele andere, des Ersten Weltkrieges wie Rudi Stephan oder anderer Katastrophen – man denke nur an Enescu oder Isang Yun.

BZ: Trotz namhafter Interpreten finden alle Veranstaltungen bei freiem Eintritt statt. Lässt sich hinter der Aussage "Förderer des Projekts sind alle Mitwirkenden" vermuten, dass diese kostenlos auftreten?
Nabering: Überwältigende, rasche, zahlreiche Zusagen! Alle Mitwirkenden treten unbezahlt auf. Selbst die Wartungen des Flügels erfolgen als Förderung.
BZ: Es war sicher eine bewusste Entscheidung, als Schauplatz die Wentzinger Schulen zu wählen. Werden die Schüler aktiv mit in das Projekt einbezogen? Wie?
Nabering: Als Schauplatz eine Schule zu gewinnen, ist optimal. Schulklassen helfen mir bei der Umsetzung der Pläne; schon im Herbst signalisierte die Schulleitung, dass Neigungskurse zu dem Thema stattfinden werden. Klassen anderer Schulen haben den Besuch angekündigt. Ein großartiger Synergieeffekt.

BZ: Sie haben mit Alfred Brendel, Bruno Ganz und Michael Krüger drei große Persönlichkeiten als Schirmherren gewinnen können. Worin besteht deren Aufgabe? In welcher Form werden sie in Erscheinung treten?
Nabering: Allein schon war es ermutigend, die Schirmherren "hinter sich" zu wissen. Sie betreuen gemeinsam mit mir alle Publikationen und haben für die Information der Presse Sorge getragen. Da ich weder Historiker noch Meister im Formulieren bin, ist diese Hilfestellung von entscheidender Bedeutung für unser Projekt.

BZ: Über 70 Jahre nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur zeigt sich in vielen Teilen der Welt, auch in Europa, dass Demokratie und Freiheit äußerst brüchig sein können. Manche Teile unserer Gesellschaft fordern sogar eine andere Form der Gedenkkultur. Was erwidern Sie denen?
Nabering: In Deutschland werden stets Mitläufer entschuldigt. Die mutigen Männer und Frauen, die ihren Einsatz für Freiheit und Menschenrechte oft mit dem Leben bezahlt haben und in Tagen der Diktatur das Herz auf dem rechten Fleck hatten, sind "die wahren Helden". In Zeiten, in denen sich die Gesellschaft radikalisiert, sich gegen Fremde und Fremdes Rechtsbewegungen verschreibt, in denen Etablierte sich längst nicht mehr zu Grundwerten bekennen, soll an aufrechte Menschen des Widerstands, an Verfolgte und an Exilierte erinnert werden.

Ressort: Kultur

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