Südbadens schönste Fahrradtouren (4)
Fluch und Segen eines Flusses: Auf dem Rhein-Schuttertal-Radweg
Der Rhein-Schuttertal-Radweg führt von den Rheinauen in abgelegene Schwarzwalddörfer. Die Route beginnt an einem ziemlich großen und folgt dann einem eher kleinen Fluss.
Do, 4. Mai 2017, 16:28 Uhr
Südwest
Thema: Fahrradtouren
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Dieses klassische Erfolgsrezept wurde bei der Einrichtung des Rhein-Schuttertal-Radwegs beherzigt: Die Route beginnt an einem ziemlich großen und folgt dann einem eher kleinen Fluss, fast bis an dessen Quellbecken heran.
Startpunkt ist der Rhein, genauer der Stauwehr Nonnenweier, westlich von Schwanau in der südlichen Ortenau. Unterhalb des Dammes weist uns das gelb-grüne Logo des Rhein-Schuttertal-Radwegs den Weg in die Rheinauen, hinein in den dichten Laubwald, der von Efeu, Schilf und Wasserläufen durchzogen ist.
Schon bald werden wir zu einem Umweg gezwungen. Eigentlich würde die Strecke auf dem Damm am rechten Ufer des Schutterentlastungskanals verlaufen, der in den 1930er-Jahren zum Hochwasserschutz angelegt wurde.
Doch das Bauwerk ist in die Jahre gekommen, muss saniert und erweitert werden. Daher ist der Radweg gesperrt. Also biegen wir an der Kläranlage rechts ab, fahren eine kleine Schleife durch Nonnenweier und dann zurück an den Kanal. Dessen seichtes Wasser ist für viele Vogelarten ein gedeckter Tisch. Graureiher, Möwen und Bussarde gehen hier und im angrenzenden Wald auf Beutezug. Sogar einen Eisvogel und einige Silberreiher bekommen wir zu Gesicht.
Die 45 000-Einwohner-Stadt Lahr begrüßt uns wenig später mit Baggern und Kränen. Hinter der Bahnbrücke fahren wir auf den Rohbau der neuen Moschee zu. Im Sommer 2018 öffnet das Gebetshaus seine Pforten, falls alles nach Plan läuft. Im selben Jahr sollte auch die derzeit größte Baustelle der Stadt, direkt nebenan, blühenden Landschaften gewichen sein. Dann ist Lahr Gastgeber der Landesgartenschau. Florale Kunstwerke gibt es hier aber schon vorher zu sehen: Jedes Jahr im Herbst lockt das dreiwöchige Blumenfestival Chrysanthema Hunderttausende an.
Unser Radweg leitet uns zum Rathausplatz und am Rand der Altstadt entlang. Deren Gassen mit ihren Cafés, Boutiquen und Sehenswürdigkeiten wie dem Storchenturm und dem Alten Rathaus nehmen wir zum Anlass für eine willkommene Pause vom Sitzen im Sattel. Erholt und gestärkt rollen wir am Schutterufer hinaus aus der Stadt.
Hinter Kuhbach türmt sich der Damm eines Hochwasserrückhaltebeckens vor uns auf. Ein weiteres wurde zwischen Seelbach und Wittelbach errichtet. Aus gutem Grund: Im Laufe seiner Besiedlung wurde das Tal immer wieder von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht. Im Frühsommer 1895 vernichtete eine Flut die komplette Ernte. Auch in den 1970er- und 80er-Jahren standen die Talauen samt den Dörfern wiederholt unter Wasser.
Die Schutter konnte für die Talbewohner zum Fluch werden, erwies sich jedoch die meiste Zeit über als großer Segen. Wie wichtig die Kraft ihres Wassers vor allem in den vergangenen Jahrhunderten war und wie vielfältig sie genutzt wurde, veranschaulichen zwei historische Mühlen.
In Reichenbach trieb die Schutter einst eine Hammerschmiede an, in der Werkzeug und Geräte für die Landwirtschaft und Handwerker hergestellt wurden. Heute ist in dem rund 300 Jahre alten Fachwerkhaus ein Heimatmuseum mit angegliedertem Bienengarten untergebracht. Ein Stück flussaufwärts steht in Seelbach die Mühlanlage Glatz aus dem 18. Jahrhundert. Ihre zwei Wasserräder treiben unter anderem eine Getreidemühle, eine Ölmühle, verschiedene Sägen, einen Schleifstein, eine Kelter sowie eine Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung an.
Auch abseits des Flusses gibt es in Seelbach viel zu erleben – Freibad, Minigolfplatz, Naturlehrpfad Litschental – und zu sehen. Etwa das historische Bahnhöfle, bis in die 1950er-Jahre Endstation der Schmalspurbahn ins Schuttertal. Oder das Wasserschloss Dautenstein am Eingang zum Litschental. Oder den alten Dorfkern mit dem Klosterplatz und dem ehemaligen Franziskanerkloster.
Bereits am Ortseingang taucht das Wahrzeichen der Region, die Burgruine Hohengeroldseck, am Horizont auf. Für eine Burgbesichtigung müssten wir allerdings ordentlich in die Pedale treten. Fünf Kilometer – beständig bergauf – sind es von Seelbach aus. Wir verzichten heute auf diesen Abstecher, fahren stattdessen weiter in Richtung Wittelbach. Die Gegend nimmt nun spürbar ländlicheren Charakter an. Auf den Weiden ziehen Rindviecher und Obstbäume im Wechsel an uns vorbei, dazwischen verläuft die Schutter wie ein blaues Band inmitten des satten Grüns.
Im Dorf Schuttertal parken wir unsere Räder an der St.-Antonius-Kirche und machen uns zu Fuß auf den Kreuzweg. Der führt uns zunächst zu einem Rastplatz mit Kneippbecken und Wasserspielen, schlängelt sich dann steil hinauf zur Mariengrotte und weiter zur Hugenhofkapelle. Als Entschädigung für die Strapazen eröffnet sich ein herrlicher Ausblick übers Schuttertal.
Wieder auf unseren Rädern, kommen wir nach Dörlinbach und können beim Pit-Pat, einer Mischung aus Billard und Minigolf, unsere Geschicklichkeit testen. Gemütliche Radfahrer machen hier kehrt. Ging es bislang hauptsächlich auf Rad- und Feldwegen kaum merklich bergan, so steigt auf dem Weg nach Schweighausen nach und nach der Schwierigkeitsgrad der Strecke. In einem Vorgarten scheint eine Schar Gartenzwerge uns hämisch anzugrinsen, während wir keuchend kurbeln.
Am Ortsrand von Schweighausen grasen Pferde in der Abendsonne. Die Häuser des Bergdorfs schmiegen sich an die umliegenden Hänge. Hier trennen wir uns von der Schutter. Drei Kilometer wären es noch bis zur Quelle, verrät uns ein Wanderwegweiser. Für uns wird es nun richtig sportlich: Zwei Kilometer geht es mit acht Prozent Steigung bergauf zur Abzweigung am Hallenwasen. Die Oberschenkel brennen – und der Verstand fragt vorwurfsvoll, warum wir nicht den Radbus hier hinauf genommen haben und den Rhein-Schuttertal-Radweg in umgekehrter Richtung gefahren sind.
Doch während wir uns vorstellen, wie wir jauchzend und mit Fahrtwind in den Haaren den Berg hinabgesaust wären, ist bereits das Ziel im Blick. Am Hallenwasen endet unsere Route. Wir schnaufen durch, saugen an unseren Trinkflaschen. Jetzt könnten wir den ganzen Weg zum Lahrer Bahnhof wieder zurückfahren – entscheiden uns aber für eine Alternative: Rechts geht es auf der Landstraße noch einen weiteren Kilometer den Geisberg hinauf. Und anschließend elf Kilometer durch das wunderschöne Biederbacher Tal bergab nach Elzach. Von dort kommen wir mit dem Zug zurück nach Freiburg.
Strecke: 36,5 Kilometer
Dauer: 3 Stunden talaufwärts; 2 Stunden talabwärts
Aufstieg: Talaufwärts: 480 Meter
Abstieg: Talaufwärts: 27 Meter
Schwierigkeit: Bis kurz vor Schweighausen leicht, danach schwer
Geeignet für: Tourenrad, E-Bike
Einkehrmöglichkeiten: Zahlreiche Gaststätten in Lahr, Seelbach und Schuttertal
Start der Tour: Rheinradweg am Stauwehr Nonnenweier Geogr. 48.367257 N 7.736236 E UTM 32U 406400 5357892
Ziel der Tour: Schuttertal (Hallenwasen/Geisberg)
Koordinaten: Die GPS-Daten der Tour stehen über die Homepage des Schwarzwald Tourismus kostenfrei zum Download bereit. mehr.bz/schuttertalradweg
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Der Startpunkt der Tour ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen. Am sinnvollsten ist die Anfahrt vom Bahnhof Lahr aus. Zwischen dem Lahrer Bahnhof und dem Weiler Höhenhäuser auf dem Geisberg verkehrt von April bis Oktober an Sonn- und Feiertagen ein Radbus, in dem die Fahrradmitnahme kostenlos ist.
Infos: 0781/8059643 oder mehr.bz/radbusortenau
Sehenswertes: Altstadt Lahr, Chrysanthema Lahr im Oktober und November, Burgruine Hohengeroldseck, Hammerschmiede in Lahr-Reichenbach und Mühle Glatz in Seelbach (Führungen jeweils nach Vereinbarung), Hugenhofkapelle in Schuttertal
Parken: Am Stauwehr Nonnenweier oder auf dem Wanderparkplatz Hallenwasen/Geisberg
Ausleihmöglichkeiten: E-Bike-Verleih im "Schwarzwälder Hof" in Seelbach, 07823/960950
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