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"Fiktion ist verbalisierte Hellsichtigkeit"

BZ-Plus BZ-INTERVIEW mit Jürgen Wertheimer über die Frage, ob Literatur die Zukunft voraussagen kann, und sein "Projekt Cassandra".  

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Literatur kann nicht in die Zukunft bl..., die die Politik  ernstnehmen sollte.  | Foto: Christina Messmer
Literatur kann nicht in die Zukunft blicken, aber gesellschaftliche Warnsignale und Spannungen erfassen, die die Politik ernstnehmen sollte. Foto: Christina Messmer

Es ist Krieg in der Ukraine – und wir fallen aus allen Wolken. Dabei dringen aus Krisenregionen lange im Voraus deutliche Warnsignale. Der Tübinger Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer hat darüber ausgiebig geforscht und 2017 das "Projekt Cassandra" gegründet. Es ist nach der tragischen Heldin der antiken Mythologie benannt: Niemand wollte den Warnungen der hellsichtige Kassandra glauben – bis aus dem Trojanischen Pferd griechische Kämpfer stiegen. Wertheimer plädiert im Gespräch mit Christa Sigg dafür, literarische Texte als Instrument der Verhinderung von Gewalt zu nutzen.

BZ: Herr Wertheimer, mit Ihrem Projekt Cassandra untersuchen Sie die Literatur systematisch nach Vorboten für solche Katastrophen. Welche Hinweise gab es im Fall der Ukraine?
Wertheimer: Ob Svetlana Alexijewitsch, ob Olga Tokarczuk, Serhij Zhadan oder Jurij Andruchowytsch – bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Positionen im Einzelnen stimmen sie in der Kernaussage überein: dass ihre Länder sich im Zustand heilloser innerer Gespaltenheit befinden und zwischen Ost und West zerrissen sind. Wobei von beiden Seiten aggressive Töne angeschlagen wurden. Autorinnen ...

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