US-Wahl
Politikwissenschaftler zu Trumps Wahlsieg: Folgen dürften auch in Baden-Württemberg spürbar werden
Politikwissenschaftler Michael Wehner erklärt im Interview die Gründe für den Wahlsieg von Donald Trump. Die Folgen einer America-First-Politik würden wohl auch Baden-Württemberg treffen.
So, 10. Nov 2024, 10:00 Uhr
Ausland
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BZ: Herr Wehner, was sind die Gründe für den überraschend klaren Wahlsieg von Donald Trump?
Trump hat es geschafft, Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, die bislang nicht in dem Umfang für die Republikaner gestimmt haben, wie sie das nun getan haben, und er hat teilweise auch Nichtwählerschichten erschlossen. Gelungen ist ihm das mit einem Wahlkampf, der sehr stark mit Ängsten und Emotionen verbunden war. Trump hat mit ,America First' eine einfache Erzählung kommuniziert und dabei den Amerikanern versprochen, das Land wieder reich und wohlhabend zu machen, und zwar so, dass alle davon profitieren.
BZ: All die Provokationen Trumps, die Strafprozesse und Lügen haben die amerikanischen Wählerinnen und Wähler offenkundig nicht abgeschreckt. Wie lässt sich das erklären?
Das scheint nicht nur eine amerikanische Entwicklung zu sein, sondern tatsächlich auch eine europäische. Letztendlich braucht es lediglich eine dramatische Rhetorik, die auch nicht fakten- und evidenzbasiert ist, sondern die als Erzählung vor allem im digitalen Raum weiterverbreitet werden kann und bei vielen Menschen offenbar verfängt.
"Die Trump-Administration 2.0 ist gleichgeschalteter"Michael Wehner
BZ: Inwieweit war die wirtschaftliche Lage in den USA ausschlaggebend?
Das hat eine große Rolle gespielt, wenn auch die Faktenlage nicht eindeutig ist. Schließlich ging es den Menschen unter Trump tatsächlich nicht unbedingt besser als unter der Biden-Administration. Die Arbeitslosenquote war unter Biden teilweise sogar drei Prozentpunkte geringer als unter Trump. Aber die Inflationsthematik, die den Bürgerinnen und Bürgern vor Augen geführt hat, gefühlt weniger im Geldbeutel zu haben, die hat verfangen. Insofern konnte Trump an die Rhetorik von Ronald Reagan anknüpfen und sagen, bewertet doch, ob es euch in den vergangenen vier Jahren besser oder schlechter gegangen ist. Die gefühlte Wahrheit bei vielen Wählerinnen und Wählern war dann, die Trump-Jahre waren goldener als die der Biden-Administration.
BZ: Was bedeutet dieser Wahlsieg für die deutsch-amerikanischen Beziehungen?
Sie sind einer erneuten Belastungsprobe ausgesetzt und das macht das Ganze natürlich nicht einfacher, weil die Trump-Administration 2.0, ich sage jetzt mal das böse Wort, gleichgeschalteter ist, als dies in seiner ersten Amtszeit der Fall war. Die kritischen Stimmen im Kabinett werden auf US-Seite sicherlich abnehmen, es ist niemand in Sicht, der Trump in schwierigen Situationen besänftigen könnte. Und nach dem Ende der Ampelkoalition fällt eine deutsche Regierung als Ansprechpartner für transatlantische Fragen auf absehbare Zeit aus. Möglicherweise wird man erst nach der kommenden Bundestagswahl in der Lage sein, die Verhältnisse auf eine neue Grundlage zu stellen.
BZ: Donald Trump hat im Wahlkampf angekündigt, Strafzölle einzuführen. Inwiefern wird das ein exportorientiertes Bundesland wie Baden-Württemberg mit seiner Automobilindustrie, den vielen Zuliefer- und Maschinenbauunternehmen treffen?
Das Land Baden-Württemberg hat laut IHK-Region Stuttgart mehr als 36 Milliarden Euro Handelsvolumenumsatz mit den USA. Und die USA sind vor China, Frankreich und der Schweiz der wichtigste Exportpartner einer baden-württembergischen Industrie, die vor allen Dingen Kfz, Kfz-Teile, Maschinen und pharmazeutische Produkte verkauft und sehr abhängig vom US-amerikanischen Markt ist. Diese Produkte werden sehr viel schwieriger absetzbar sein, wenn tatsächlich diese Strafzölle greifen. Unterm Strich hat natürlich auch der amerikanische Wähler nicht viel davon, weil dann auch für ihn die Produkte teurer werden. Aber es trifft erst einmal unsere heimische Industrie. Und dann wird natürlich ein Herr Trump versuchen, zu dealen, zu erreichen, dass deutsche Autos in Amerika gebaut werden.
"Bereits jetzt sind die wirtschaftlichen Krisenzeichen nicht zu übersehen"Michael Wehner
BZ: Was bedeutet das für die Wohlstandsentwicklung hierzulande?
Bereits jetzt sind die wirtschaftlichen Krisenzeichen nicht zu übersehen. Es gibt kaum Wachstum und nun könnten noch stärkere Belastungen auf die Haushalte zukommen. Die Steuerschätzungen sind ohnehin bereits verheerend. Dem Land Baden-Württemberg fehlen in den nächsten fünf Jahren 10 Milliarden Euro. Das bedeutet, die Politik wird den Anspruch der Wählerinnen und Wähler, stärker zu gestalten, in den kommenden Jahre kaum erfüllen können.
BZ: Auf Deutschland dürften nun erheblich höhere Verteidigungsausgaben zukommen. Rechnen Sie mit einer Art Beschleunigung der Zeitenwende?
Die muss kommen, wenn die Europäische Union und Deutschland handlungsfähig bleiben wollen. Das wäre möglicherweise unter Kamala Harris auch nicht anders geworden, weil die USA sich eindeutig der Auseinandersetzung mit China und dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden. Das bedeutet für Europa, dass es sich selbst um seine Verteidigungspolitik kümmern muss. Deutschland wird daher deutlich höhere Ausgaben für sein Militärbudget einplanen müssen. Wir waren ja in den 60er und 70er Jahren auch schon mal bei einem Anteil von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auf die Zwei-Prozent-Forderung der Nato wird nun wohl noch eine ordentliche Schippe draufzulegen sein. Das führt automatisch zu weniger Spielraum in anderen Politikfeldern. Stichwort Sozialpolitik. Möglicherweise profitieren davon auf Dauer Parteien wie die AfD oder das BSW. Hinsichtlich der Mehrheits- und Regierungsfähigkeit in Deutschland ziehen also bereits für die kommende Bundestagswahl Gewitterwolken auf.
Michael Wehner leitet die Außenstelle Freiburg der Landeszentrale für politische Bildung. Der Politikwissenschaftler ist zudem Honorarprofessor an der Universität Freiburg.
kai
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