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Jan Böhmermann: Zwischen Kasper und moralischer Instanz

Kein anderer deutscher Entertainer pendelt so geschmeidig und erfolgreich zwischen Komik und moralischer Instanz wie Jan Böhmermann. Das ist spätestens seit Clausnitz klar.  

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Ging bei Harald Schmidt in die Lehre: Jan Böhmermann  | Foto: Rolf Vennenbernd
Ging bei Harald Schmidt in die Lehre: Jan Böhmermann Foto: Rolf Vennenbernd
Mehrere Hinterköpfe sind zu sehen. Vor ihnen steht ein Flüchtlingsbus, den sie nicht durchlassen. Arme werden gereckt, dazu "Wir sind das Volk!" gebrüllt. Das Handyvideo aus dem sächsischen Irgendwo ist inzwischen weltbekannt und dokumentiert die Schande von Clausnitz. Aufgespürt und unter der Überschrift "Der deutsche Angstmob" geteilt hat es einer, der Leute eigentlich zum Lachen bringen soll, sich mit der Rolle des Vollzeit-Komikers aber immer weniger begnügt: Jan Böhmermann.

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Für die einen ist er Moderator einer Quatsch-Show im Spartenprogramm, für die anderen das Maß aller Dinge, mindestens. Sicher ist: Kein deutscher Entertainer pendelt so geschmeidig und erfolgreich zwischen den Medien wie Böhmermann. Die Frage, ob er eher in der Glotze oder im Internet zuhause ist, stellt sich bei ihm gar nicht erst. Am wirkungsvollsten agiert er freilich in den sozialen Medien.

Wenige Stunden nachdem Böhmermann das Clausnitz-Video am vergangenen Freitag auf Twitter und Facebook verbreitet hat, wird es gelöscht, kurz darauf geht auch das Profil "Döbeln wehrt sich" vom Netz, das den Clip gepostet hatte. Doch die Asylgegner, die eben noch prahlen wollten und jetzt in Deckung gehen, haben die Rechnung ohne Böhmermann gemacht, denn er hatte das Video natürlich längst auf seinen Youtube-Kanal hochgeladen und teilt es nun erneut. Seither ist es allein auf seinem Facebook-Profil mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen worden. Den Aufschrei gegen die Flüchtlings-Blockade von Clausnitz hätte es wohl auch ohne Böhmermann gegeben, aber nicht so zeitnah und vielleicht auch nicht mit derselben Wucht.

Wahrheit oder Fake?

Sein bislang größter Coup liegt ein Jahr zurück. Als die ganze Nation über einen Mittelfinger debattierte, den der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis Deutschland gezeigt haben soll, behauptete Böhmermann, die Geste sei in der Greenbox gefälscht worden – und zwar von ihm. Das Beweisfilmchen war so raffiniert, dass weltweit über Wahrheit und Fake gestritten wurde.

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Für seine eigene Generation ist Böhmermann ein alter Hase. 1981 in Bremen geboren fing der Sohn eines Polizeibeamten schon vor dem Abitur beim Radio an. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte er erstmals mit "Lukas’ Tagebuch" während der Heim-WM 2006. Sein schönster Satz: "Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel." Lukas Podolski fand die Parodie auf sich weniger komisch und verklagte den WDR, ohne Erfolg.

Böhmermann heuerte beim Fernsehen an, trat in der Harald-Schmidt-Show auf und wurde vom Meister des Sarkasmus in die Weihen der Late Night eingeführt. In der Schmidtschen Abendröte ging Böhmermanns Stern auf. Der Altmeister zog sich noch kurz in die Nische zurück, wo er sich aber nie so wohl fühlte wie sein Lehrling. 2013 ging auf ZDF neo Böhmermanns eigene Late Night Show auf Sendung. Das Neo Magazin erfand das Genre nicht neu, trifft aber den Nerv einer Generation, die sich aus dem Fernsehen eigentlich längst verabschiedet hatte. Seither gilt Böhmermann als letzte Krücke eines arthritischen Mediums.

Er ist das, was Stefan Raab in den Nullerjahren war, nur eben nicht für die breite Masse. Exakt jener Raab, den Böhmermann einmal nach allen Regeln der viralen Kunst vorgeführt hat, als er in den sozialen Medien ein "Blamieren oder Kassieren" auf Chinesisch verbreitete. Raab griff das angebliche Plagiat auf und blamierte sich vor einem Millionenpublikum. Es gibt Leute, die behaupten, Raabs plötzlicher TV-Ausstieg habe auch damit zu tun. Weniger spekulativ ist die Annahme, dass Raab spätestens da gewittert haben dürfte, dass er zum alten Eisen gehört.

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Böhmermann legt sich bevorzugt mit den Großmäuligen an. Wenn Til Schweiger mal wieder auf Facebook austickt, lässt die Persiflage nicht lange auf sich warten. Mit seinem Polizei-Song hat er es sich praktisch mit der gesamten Gangsterrap-Szene, zumindest dem ironiefernen Teil, verscherzt.

Aber es gibt da eben auch den anderen Böhmermann, der zwei Tage nach den Anschlägen von Paris seine Facebook-Gemeinde mit einem nachdenklichen Post überrascht. Ohne jeden Anflug von Satire listete er hundert Fragen ohne Antwort auf. Unvorstellbar für Brachial-Satiriker vom Schlage der Titanic.

Böhmermanns jüngster Streich ist ein sogenannter Wahlplakat-Generator, mit dem man sich im Internet sein eigenes AfD-Plakat modellieren kann. Je zorniger der Blick, je verkürzter die Botschaft, desto authentischer wirkt es. Jan Böhmermann ist der King of Fake. Aber nicht nur.

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