Studie
Eine Woche Höhenkrankheit - und das freiwillig
Schädelbrummen wie auf dem Mars: Für eine raumfahrtmedizinische Studie leiden zehn Probanden eine Woche lang freiwillig unter der Höhenkrankheit.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
FREIBURG. Sie haben Kopfweh, im besten Fall. Manchen ist auch speiübel. Alle leiden sie, und zwar freiwillig – für die bemannte Raumfahrt, mit der sie eigentlich nicht viel am Hut haben. Fünf Frauen und fünf Männer nehmen seit wenigen Tagen an einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zur Erforschung der Höhenkrankheit teil, die auch beim Aufenthalt auf anderen Planeten auftreten kann.
Die traumhafte Aussicht auf die umliegenden Viertausender mag für die Schmerzen und die Strapazen der medizinischen Prozedur entschädigen. Lea Sauff, 26, die wir per Internettelefonie erreichen, macht jedenfalls einen ganz munteren Eindruck. Schon beim Aufstieg war ihr schlecht und oben kamen dann die Kopfschmerzen dazu. Mittlerweile geht es ihr aber besser – "ich habe abends was gegessen, das ist immer ein gutes Zeichen" – und sie schwärmt von der Gruppendynamik im Kreis der Probanden.
Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Schlaflosigkeit, angeschwollene Hände und Füße – dieser Symptomkomplex kennzeichnet die Höhenkrankheit. Ausgelöst wird sie durch Sauerstoffmangel und geringen Luftdruck. Besonders stark betroffen ist, wer schnell aufsteigt. Erste Beschwerden sind schon ab 1500 Metern möglich. Man staunt: Bei der, wie es im Fachjargon heißt, "Acute Mountain Sickness" gibt es noch grundlegenden Forschungsbedarf. Ihre Ursache ist letztlich ungeklärt. "Wir wissen nicht, durch welche Mechanismen im Körper sie hervorgerufen wird", sagt der ärztliche Leiter der Studie Ulrich Limper.
Auf jeden Fall reagieren die Menschen ganz individuell, das zeigt sich schon jetzt in der Probandengruppe. Einigen, berichtet Limper, gehe es zeitweise so miserabel, dass sie nicht einmal zu den Routineuntersuchungen antreten könnten.
Weil die Ursachen unbekannt sind, ist es auch nicht möglich, eine Prognose darüber abzugeben, wer in großer Höhe wie starken Einschränkungen unterworfen ist. Und das ist der springende Punkt, an dem das Interesse der Raumfahrtmedizin ins Spiel kommt, die in sehr großen Zeiträumen denkt und sich jetzt schon mit der Frage beschäftigt, mit welchen Problemen Astronauten in frühestens 30 Jahren konfrontiert sein werden. Dann, wenn sie für einen Langzeitaufenthalt zum Mars fliegen.
In den Habitaten auf dem Roten Planeten werden die Raumfahrer nämlich in einer ähnlichen Atmosphäre leben müssen wie auf einem Berggipfel. Um die täglichen Ausstiege auf die Planetenoberfläche unkomplizierter zu gestalten, die Anpassung an die Druckbedingungen auf dem Mars zu erleichtern, herrschen in diesen Behausungen ein niedriger Luftdruck und eine geringere Sauerstoffkonzentration. Eine Form der Höhenkrankheit ist somit programmiert. Umso wichtiger ist es, für die Flüge besonders höhentaugliche Astronauten auszuwählen.
Limper hofft natürlich auch, dass die Studie dazu beitragen kann, der Bergsteigerkrankheit vorzubeugen. Seine Hypothese ist, dass in großer Höhe vorübergehend die Gefäße geschädigt werden, was zu Wassereinlagerungen im Bindegewebe und im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichen Ödemen in Lunge und Gehirn führen kann. Dagegen könnte alles helfen, was die Gefäße stärkt, nicht nur Medikamente, auch Nahrungsergänzungsmittel und Antioxidantien.
Und was tun, wenn alle vorbeugenden Maßnahmen versagen? Nach Auskunft von Rainald Fischer, Pneumologe in München und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, ist bei einem akuten Anfall von Bergkrankheit zweierlei angezeigt: Sauerstoffgabe oder sofortiger Abstieg in eine Region mit höherem atmosphärischem Druck. Letzteres ist im Weltall natürlich keine Option.
Probandin Lea muss sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Sie hat ohnehin nicht vor, auf den Mars zu fliegen.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ