Eine Stimme für den Hausgebrauch
Julia Gross hat sich beim Casting für Deutschland sucht den Superstar – wie einige wenige andere auch – beworben. Ohne Erfolg.
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Die RTL-Show "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) ist eine wundersame Erscheinung im deutschen Fernsehen: Echte Gesangstalente sucht man meist vergeblich. Aber wenn Moderatorin Nazan Eckes ins Mikro ruft: "Hier ist das Original", schalten die Deutschen ein. Ein paar mehr oder minder begabte Sänger, die sich der Jury stellen, scheint es ebenfalls noch zu geben. Beim Casting zur zwölften Staffel in Freiburg, bin ich eine von ihnen. Aus unerfindlichen Gründen hat die Redaktion ausgerechnet mich zum Selbstversuch geschickt. Hiermit ein herzliches Dankeschön.
Aufgeregt? "Nein, kein bisschen", sage ich möglichst lässig, "ich sing’ ja schon ’ne Weile." Der erste Teil stimmt tatsächlich, der zweite Teil ganz und gar nicht. Eine realistische Selbsteinschätzung sagt mir: Ich gehöre zu den unmusikalischsten Menschen der Welt. Ich weiß, dass ich nicht weiterkommen werde.
Im etwa zwölf Quadratmeter großen Wartezelt werde ich überrascht: Bodenständige, unaufgeregte Leute sitzen mir da gegenüber. In weißen Gartenstühlen aus Plastik. Patrick* schlägt gerade seine Gitarre und singt. Und zwar ziemlich gut. Er hat eine Kreuzkette aus Strass um den Hals, trägt eine gebleichte Jeans und hat seine Haare zu einem Irokesenschnitt frisiert. Nach etwa zwei Minuten im Truck, neben dem wir campieren, ist Patricks Traum geplatzt. Er winkt ab: "Hab’s leider nicht geschafft."
Diese Neuigkeit sorgt für Entsetzen im Zelt. "Dann schaff’ ich’s auch nicht", sagt Monika* neben mir. Monika ist 30. Zum Casting ist sie zusammen mit ihrem Freund gekommen. Und zwar von Dresden. "Als der Truck bei uns war, hatte ich keine Zeit. Deshalb bin ich jetzt eben hier." Das Format sei aber eigentlich gar nicht so wirklich ihr Ding, meint sie flüsternd. "Ich will’s einfach mal ausprobieren." Schon als Grundschülerin habe sie gerne gesungen, irgendwann in großen Ensembles und immer mal wieder eine Oper. "Ich bin auch nicht traurig, wenn sie mich nicht nehmen." Und tatsächlich: Auch Monika kommt aus dem Truck und senkt ihren Daumen nach unten.
"Julia, du bist dran", wird mir zugerufen. Zeit zu glänzen: Ich schnappe mir die Gitarre und betrete zögerlich den ausgesprochen winzigen Raum. Ich stelle mich auf den berühmten Stern – der ein bisschen kleiner, schmutziger und glanzloser daher kommt als der im Fernsehen – und sage schüchtern "hallo" zu den beiden Frauen vor mir.
Dabei wollte ich doch ganz souverän wirken, der Jury während meines Auftritts zuzwinkern. Eigentlich geht es für mich hier um rein gar nichts. Und doch schäme ich mich ein bisschen. Und zwar vor allem dafür, so ganz ohne Können hier aufzutauchen.
Das Lied "Ein Kompliment" von den Sportfreunden Stiller darf ich nicht bis zum Schluss trällern. Nach gefühlt 15 Sekunden werde ich mit den folgenden, durchaus ernüchternden Worten verabschiedet: "Deine Stimme reicht für den Hausgebrauch. Aber mehr ist nicht drin, ehrlich." Das hat gesessen. Ein zweites Lied versuch’ ich gar nicht erst anzubieten, auch wenn mir ein bisschen danach ist. Ich verabschiede mich möglichst theatralisch und sage: "Ich mach weiter. Ich war’ nicht zum letzten Mal hier."
* Name von der Redaktion geändert
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