Uni Freiburg
Jurastudent bekommt für die gleiche Hausarbeit zwei unterschiedliche Noten
Jurastudent Oskar Radhauer hat für dieselbe Hausarbeit zwei völlig verschiedene Noten bekommen – und kritisiert jetzt das Korrektursystem. Das Prüfungsamt sieht kein Problem – und der Professor will sich nicht äußern.
Dora Volke
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Dass Radhauer überhaupt zwei Exemplare abgegeben habe, sei schon der erste Fehler gewesen, so Daniel Kachel, Leiter des Prüfungsamts der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Das zweite Exemplar, so Radhauer, habe er extra persönlich abgegeben mit dem Hinweis, dass seine Matrikelnummer wohl doppelt auftauchen würde. "Eigentlich ist der Lehrstuhl angehalten, alle Hausarbeiten anhand einer Anmeldeliste zu kontrollieren", sagt Kachel. Wenn man das getan hätte, wäre aufgefallen, dass die Hausarbeit zweimal vorliegt. "Stattdessen hat der Lehrstuhl die Hausarbeiten direkt an die Korrekturassistenten weitergegeben."
Korrekturassistenten sind externe Juristen, die die Fakultät für das Korrigieren bezahlt. Und zwar pro Stück. "Deswegen ist da kein großer Anreiz, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sondern eher, möglichst viele Hausarbeiten in einer Stunde durchzubuttern", sagt Radhauer. Auch Kachel vom Prüfungsamt sieht das kritisch: "Die Bezahlung ist nicht so gut, als dass man damit reich würde. Wenn man sich viel Mühe gibt als Korrekturassistent, verdient man weniger, je länger man braucht. Das kann dazu führen, dass die unsauber korrigieren." In Oskar Radhauers Fall gab es 373 Hausarbeiten zu korrigieren. Wie viele Korrektoren diese Hausarbeiten korrigiert haben, ist nicht bekannt, da das Institut sich nicht äußern will.
Für die Bewertung bekommen die Korrekturassistenten eine Musterlösung. "Diese ist aber nur eine Möglichkeit, das Ganze zu lösen. Es gibt in der Forschung Meinungsstreitigkeiten. Je nachdem, welcher Meinung man folgt, kann die Klausur anders ablaufen, das ist dann nicht falsch", so Kachel. Studierende könnten das eigentlich auch an der Aufgabenstellung erkennen: "Da muss man als Student taktisch gucken, was der Korrektor eigentlich von mir will." Das ist ein Problem aller textbasierten Prüfungen: Es gibt in vielen Fragen kein eindeutiges Richtig oder Falsch. "Bei Jura kommt es viel mehr auf die Argumentation und die Schwerpunktsetzung an", sagt Kachel. Das gibt den Korrektoren einen gewissen Spielraum in der Bewertung.
"Mein Fall steht doch für sich. Wer da noch das System als fair beurteilt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank", sagt Radhauer. Tatsächlich seien zwei verschiedene Noten für die gleiche Leistung nicht ungewöhnlich im Jurauniversum, so Kachel. Wenn nämlich ein Studierender mit seiner Bewertung nicht einverstanden ist, kann er remonstrieren. Also Widerspruch einlegen. Bei einer Klausur oder einer Hausarbeit remonstrierten normalerweise etwa 5 bis 10 Prozent, schätzt Kachel. "Dass die Note geändert wird, ist nicht ungewöhnlich. 30 bis 50 Prozent bekommen eine andere."
In Radhauers Fall kam es auch zu einer Art Remonstration: Zuerst hat er seinen Dozenten angesprochen. "Der hatte keine Antwort darauf und war perplex." Dann ist er zum Professor gegangen, der beide Hausarbeiten wieder an sich genommen habe. Am Ende wurde die Arbeit dann mit 8 Punkten bewertet. Der Schnitt insgesamt liegt bei 6,9 Punkten – Radhauer ist zufrieden. Aber ihn wundert das Vorgehen: "Das Krasse war, dass die zweite Hausarbeit verschwand. Meine 5-er Hausarbeit war, O-Ton: Von einer Sekretärin verschlampt worden." Das Institut möchte sich zu dem Fall nicht äußern. "Das wirkt ein bisschen wie Unterschlagung. Als würde man nicht wollen, dass das noch weiter Wellen schlägt." Genau das ist Radhauer aber wichtig. Damit sich etwas ändert, an einem – wie er findet – intransparenten Bewertungssystem.
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