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Ein intensives Kulturerlebnis zum Komponisten Kurt Weill

Juliana Eiland-Jung
  • Di, 01. Oktober 2024
    Kippenheim

     

Das Musiktheater über den Komponisten Kurt Weill, das am Sonntag in der ehemaligen Synagoge gespielt worden ist, hat bei den Zuschauern noch lange nachgehallt. Eine großartige, kleine Inszenierung.

Die Darsteller Ingala Fortagne (links)... und Marquis’ McGee am Saxophon.  | Foto: Juliana Eiland-Jung
Die Darsteller Ingala Fortagne (links) als Louise und Lotte Lenya und Marquis’ McGee am Saxophon. Foto: Juliana Eiland-Jung
War das ein Konzert oder ein Theaterstück? Eine dramatisierte Biografie oder eine Nummernrevue? Auch am Ende von "Louises Traum oder Where the f:ck ist Kurt Weill" ist man sich nicht sicher. Nur eins steht fest: Es war sehr intensives Kulturerlebnis in der ehemaligen Kippenheimer Synagoge, das noch lange nachhallt.

Und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn das Musiktheater-Stück der Moderntime Production von Georg Darvas klingt mit Kurt Weills gefühlvoller Habanera "Youkali" aus, die viele der rund 50 Besucher als schönen Ohrwurm mit nach Hause nahmen.

Das liegt zum Teil an Weills Kompositionskunst, zum großen Teil aber an der Präsenz und Stimme von Ingala Fortagne, die in einer Doppelrolle die heutige Louise und die damalige Ehefrau von Kurt Weill, Lotte Lenya, spielt und singt. Klar und gefühlvoll interpretiert sie die weithin bekannten Songs, aber auch die ruppigen Partien zwischen hohem Opernton und Sprechgesang, wie sie zum Beispiel für den "Surabaya-Johnny" oder der "Seeräuber-Jenny" charakteristisch sind, gelingen ihr hervorragend. Am Klavier wird sie begleitet von Nadia Belneeva, Marquis’ McGee ist mit dem Saxophon dabei. Doch beide treten auch als Schauspieler in Aktion, in wechselnden Nebenrollen, die stets nur angedeutet werden.

Das Stück hat nur wenig Text, sondern speist sich aus den Liedern, in denen nicht nur Kurt Weills und Lotte Lenyas Lebens- und Liebesgeschichte nachgezeichnet wird, sondern auch die politischen Entwicklungen. Das Besondere an der Inszenierung liegt in der sparsamen, aber sehr effektvollen Verwendung von Requisiten und vor allem im Sounddesign (ebenfalls Marquis’ McGee), das mit mehreren im Raum verteilten Lautsprechern das Publikum umgibt.

Es beginnt mit einem Ticken, das alleine schon bedrohlich wirkt, und endet mit der rein akustisch erzeugten Premieren-Atmosphäre in einem großen Theater. Denn als Louise aus ihrem Traum erwacht, in dem sie immer wieder versucht hat, Kurt Weill vorzusingen, tönen aus den Lautsprechern die Backstage-Ansagen, dass in fünf Minuten alle Akteure auf der Bühne sein müssen, denn tatsächlich darf Louise Weill singen, und sie kann es auch in Deutschland tun.

Anders im Schicksalsjahr 1933, mit dem das Stück beginnt. Machtergreifung, Bücherverbrennung, die Flucht vieler Intellektueller und Künstler aus Nazi-Deutschland. Darunter Kurt Weill, dessen Vorfahren aus Kippenheim stammten. Er wird musikalisch auf dem Weg ins Exil nach Paris und New York begleitet, wo sich der im Privatleben unangepasste Weill stets den neuen Gegebenheiten der jeweiligen Musikszene anpasste und große Erfolge feiern konnte.

Das Stück bleibt aber keineswegs beim biografischen stehen, sondern zeigt Parallelen auf zu heute, ohne zum Polit-Theater zu werden. Das Ticken der Uhr, das bedrohliche Bellen der Schäferhunde, das Tuten des Nebelhorns bleiben als akustische Warnung genauso präsent wie die unsterblichen Songs von Kurt Weill. Eine großartige, kleine Inszenierung. Langer Applaus.

Ressort: Kippenheim

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 01. Oktober 2024: PDF-Version herunterladen

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