Stuttgart
Die Post stellt ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge um
Die Deutsche Post AG lässt Elektroautos für ihre Tochter DHL von einer Tochterfirma bauen – und macht damit den Autobauern vor, wie Elektromobilität auf der Kurzstrecke funktionieren kann.
Di, 21. Feb 2017, 0:00 Uhr
Wirtschaft
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Seit Dezember ist Younan mit dem Streetscooter unterwegs, einem elektrisch betriebenen Zustellfahrzeug, das die Deutsche Post in Eigenregie für ihre Pakettochter DHL baut. Hübsch ist sie nicht, diese kleine, eckige, gelbe Kiste, die nahezu lautlos durch die City rollt. Aber das Auto soll keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern das Unternehmen in ein umweltfreundliches Zeitalter führen. Allein in Stuttgart soll der Streetscooter jährlich 60 Tonnen des klimaschädigenden Kohlendioxids (CO2) einsparen helfen.
Keine Abgase, kein Motorenlärm – in Stuttgart, wo der Feinstaubalarm schon fast zum Normalzustand gehört und Umweltschützer gerne Fahrverbote für Dieselautos einführen würden, freut das viele. Von 60 Zustellfahrzeugen, die in der Landeshauptstadt momentan im Einsatz sind, fahren bereits 20 elektrisch. Auch in Südbaden sind solche Mobile unterwegs.
"Einfach cool", findet Paketbote Younan sein Gefährt. Besonders die elektronischen Zusatzspielereien haben es ihm angetan. Wenn er aussteigt und vergisst, die Handbremse anzuziehen, fängt der Streetscooter an zu piepsen. Während der Fahrt überträgt eine Kamera den Seitenbereich auf ein großes Display im Fahrerhaus. Beim Einparken schaltet sich die Rückfahrkamera automatisch zu.
Ein Regal für Pakete sucht man im Laderaum allerdings vergeblich. Weil der Streetscooter kleiner ist als die dieselgetriebenen Mercedes-Transporter vom Typ Sprinter, die DHL bislang vorwiegend einsetzt, muss Zusteller Younan vorausschauend packen. "Ich überlege mir genau, welche Pakete ich zuerst einräume", erklärt er.
Und wie schlägt sich der Stromer im harten Zustelleralltag? Schließlich berichten selbst E-Auto-Fans, dass sie im Winter auch mal auf die Heizung verzichten müssen, damit die Reichweite langt. Der Streetscooter ist nicht nur mit einer Heizung, sondern auch mit einer Sitzheizung ausgestattet. Wie lange die Batterie das bei minus zehn Grad mitmacht? Die Frage lässt sich hier vor Ort so nicht beantworten, denn Younan hat die Heizung heute nicht angestellt. Von der Wärme in die Kälte und dann wieder zurück ins Warme – das sei nichts für ihn, sagt er. "Sonst werde ich krank." Grundsätzlich findet er aber, die Batterie halte "erstaunlich lange". 45 Minuten ist Younan an diesem Morgen schon unterwegs, nach dieser Zeit steht die Batterieanzeige auf 97 Prozent. Insgesamt schafft der Zusteller mit einem Fahrzyklus maximal 80 Kilometer. "Manchmal lade ich den Wagen auch erst nach zwei Tagen auf", sagt Younan. Für seine Ansprüche scheint die Batterie also groß genug zu sein. Andererseits: 80 Kilometer Reichweite würden nicht einmal reichen, um von Offenburg nach Staufen zu fahren.
Der Fuhrpark der Post umfasst bundesweit 44 600 Fahrzeuge. Der Großteil fährt mit Diesel, aber der Anteil der E-Autos nimmt zu. Etwa 2000 Streetscooter sind nach Angaben des Unternehmens bereits auf der Straße, die meisten davon in Deutschland. Produziert werden die Fahrzeuge in Nordrhein-Westfalen bei der Streetscooter GmbH, einem ehemaligen Start-up der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, das die Post im Jahr 2014 übernommen hat.
Zuvor hatten die DHL-Manager das Gespräch mit der Autoindustrie gesucht. Sie hatten angefragt, wer bereit und fähig sei, rasch eine große Menge an alltagstauglichen Transportern mit E-Antrieb zu liefern. Denn der Druck auf die Zustellbranche steigt. Weil immer mehr Kunden ihre Waren im Internet ordern, wächst die Zahl der Zustellautos auf den Straßen.
Manager bei DHL wie auch den Konkurrenten UPS, Hermes oder GLS fürchten, dass erste Kommunen den Firmen strenge Auflagen machen – und aus Gründen der Luftreinhaltung Lieferfahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß die Einfahrt in die Innenstädte verweigern.
Doch bei Autobauern wie Daimler, Opel oder VW drangen die Manager der Post, so schrieb das Fachblatt Auto Motor Sport unter Berufung auf hochrangige Konzernlenker, nicht durch. Postsprecher Hugo Gimber drückt es auf Nachfrage zurückhaltender aus, bestätigt das aber indirekt: "Wir sind Betreiber einer der größten Fahrzeugflotten in Deutschland. Und uns war frühzeitig klar: Unsere Fahrzeuge müssen zum einen wirtschaftlich sein und die anspruchsvollen Belastungen des Post-Alltags bewältigen. Zum anderen möchten wir auch im Verkehrsbereich Verantwortung für die Umwelt übernehmen. Ein Fahrzeug, das all diese Ansprüche erfüllt, gab es auf dem Markt jedoch nicht." So entschied sich der Konzern, die Fahrzeuge einfach selbst zu produzieren. Gern mitgenommen wurden dabei staatliche Beihilfen. So hat das Bundesumweltministerium die ersten 1000 Scooter mit 9,5 Millionen Euro Fördergeld unterstützt.
Mittlerweile läuft die Serienproduktion – in verschiedenen Varianten. Das Modell "Work", das in etwa so groß ist wie ein VW Caddy, nutzt die Post vor allem in ländlichen Regionen, in denen ein Zusteller Briefe und Pakete zusammen austrägt. Zusätzlich zur geräumigeren Variante, dem Typ "Work L", wird derzeit ein noch größeres Modell entwickelt. "Hauptthema ist die weitere Reduktion der Kosten", erklärt Postsprecher Gimber. Man wolle die "Ergonomie und Nutzbarkeit gemeinsam mit unseren Zustellern weiter verbessern".
Doch bei aller Euphorie gibt es auch Kritik am vermeintlich grünen Flitzer des gelben Logistikriesen. So stört sich das kritische Internetforum "Klimalügendetektor" an der Werbeaussage, der Scooter fahre zu 100 Prozent elektrisch und vollständig CO2-frei. Bei eigenen Recherchen will man herausgefunden haben, dass die Post sogenannten RECS-Strom (Renewable Energy Certificate System) tankt – ein Zertifizierungssystem, das von den Kohlekonzernen Eon, RWE und Vattenfall mitbegründet worden sei.
Postsprecher Gimber widerspricht: "Die Behauptung, dass wir in Deutschland RECS-Strom nutzen, ist falsch. Seit mehreren Jahren verwenden wir in Deutschland Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien." Von welchem Anbieter der Strom kommt, will er aber nicht verraten. Aus "vertraglichen Gründen" lege man die Lieferanten nicht offen. So muss eine kritische Prüfung der Ökobilanz des Streetscooter unterbleiben. Doch warum produziert die Post ihren Strom nicht einfach selbst, indem sie ihre Paketzentren mit Photovoltaikanlagen ausstattet? "Teilweise tun wir das bereits", sagt Gimber. "Das geht aber nicht überall, da manche Gebäude nur angemietet sind und andere nicht genügend Dachlast haben."
E-Autos – aber bis wann?
Klar ist, dass die Post langfristig ihre ganze Flotte elektrisch betreiben möchte. Wann? Dazu äußert sich der Konzern nicht. Wenn die aktuelle Produktion von 10 000 Fahrzeugen pro Jahr beibehalten wird, dürfte es hochgerechnet 2021 so weit sein. Es sei denn, ein Teil der Autos wird vorher an andere Kunden verkauft. Dann könnte es noch ein wenig länger dauern mit der CO2-freien Zustellflotte.
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