Die Niedlichkeit hat ihren Preis
Deutsche Verbraucher greifen immer häufiger zu Gemüse und Obst im Miniaturformat / Nicht jede Züchtung hält sich am Markt.
Julia Kilian (dpa)
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Michael Koch beobachtet für die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn, was sich im Handel tut. Der Trend zum Miniaturgemüse und Miniobst fing nach seiner Einschätzung mit den Tomaten an. Eltern schmuggeln ihren Kindern solche Cocktailtomaten schon länger in die Brotdose. Aber auch viele andere Erwachsene greifen zu. Zuletzt waren etwa 40 Prozent der Tomaten, die Kunden für ihren privaten Haushalt kauften, kleine Sorten. 2012 habe der Anteil noch bei 31 Prozent gelegen, sagt Koch unter Berufung auf Marktforschungsdaten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit Sitz in Nürnberg. "Da nimmt man den Trend vielleicht gar nicht mehr so wahr. Aber damit fing es an."
Mittlerweile gibt es auch andere kleine Gemüsesorten. Koch sieht dafür mehrere Gründe. Der erste hat mit gesundem Essen zu tun. Minipaprika und kleine Tomaten seien einfach praktisch, um sie zwischendrin als Snack zu essen, sagt Koch. Man braucht weder Messer noch Teller. Auch ein Sprecher der Supermarktkette Rewe sieht eine steigende Nachfrage nach Obst und Gemüse für zwischendurch. In gut besuchten Filialen in den Städten sei die Nachfrage nach solchen vegetarischen Snacks höher als in ländlichen Gebieten, sagt der Rewe-Sprecher. Die Entwicklung gebe es schon länger.
Edeka beobachtet, dass Kunden kleines Gemüse gern zum Grillen nehmen. Die Supermarktkette bietet kleines Gemüse auch speziell für Kinder an. Aldi Nord weitet sein Obst- und Gemüsesortiment derzeit aus und setzt nach Angaben einer Sprecherin auch auf kleine Sorten. Man könnte natürlich alternativ große Möhren in Stifte schneiden. Oder die Paprika in Streifen. Aber so geht es schneller.
"Man unterstellt gerne, dass kleines Gemüse und kleines Obst etwas für junge Familien sind. Aber damit liegt man ein bisschen falsch", sagt Koch. Sie hätten kleine Paprika unter die Lupe genommen. "Es sind alleinstehende Senioren, die da verstärkt zugreifen. Da ist vielleicht die kleine Packungsgröße entscheidend. Man kann so öfter abwechseln und muss weniger wegwerfen."
Praktisch also für kleine Haushalte, so sieht es auch Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbands. Kleines Gemüse werde meist speziell gezüchtet. Das merke man auch bei Wassermelonen; da sei die Größe ein Hindernis. "Damit ist im Grunde jeder Konsument überfordert", so Brügger. Deswegen werden sich im Sommer wieder Mini-Wassermelonen in den Läden finden.
Ein weiteres Beispiel für den Einfallsreichtum der Branche ist der "Bluccoli": Ein kleiner Brokkoli und ein kleiner Blumenkohl werden zusammen verpackt in einer Schale verkauft. Der Kunde bekommt also zwei verschiedene kleine Köpfe an Stelle eines großen. Dafür müssen sie aber mehr zahlen: 1,99 Euro kostet die 500-Gramm-Packung bei einem Berliner Discounter. Brokkoli allein kostet bei gleicher Menge 79 Cent.
Kleines Gemüse ist den AMI-Zahlen zufolge oft teurer als großes – und zwar deutlich. Große Rispentomaten kosteten Verbraucher im vergangenen Jahr durchschnittlich 2,25 Euro pro Kilogramm. Cocktailtomaten kosteten 4,65 Euro. Für normale Bananen zahlten Kunden durchschnittlich 1,32 Euro je Kilo. Für kleine gelbe und rote Bananen mussten sie fast dreimal so viel ausgeben.
Nicht alle finden, dass sich das lohnt. "Enttäuschend", sagt ein Testkäufer, "eher eine normale Banane in klein. Aber sie hat mich einfach neugierig gemacht." Nicht alles, was im Kleinformat auf den Markt kommt, bleibt erfolgreich. Kleine Ananas beispielsweise wurden von privaten Haushalten zuletzt weniger gekauft. "Seit vier, fünf Jahren geht die Einkaufsmenge zurück", berichtet Koch und erklärt sich den Rückgang damit, dass die Baby-Ananas zwar optisch ein Hingucker sei. Doch geschält und zerschnitten werden müsse sie wie eine große Frucht. "Da macht die Baby-Ananas dann am Ende keinen Unterschied mehr."