Die Neujahrsansprache von Lahrs Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller
Bei seine Ansprache zum Neujahrsempfang hat der Lahrer Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller die Vision des "neuen Lahr" entwickelt. BZ-Online veröffentlicht das Redemanuskript im Wortlaut.
So, 17. Jan 2010, 13:02 Uhr
Lahr
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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Gemeinschaften bilden sich in Ritualen. Unser Neujahrsempfang ist ein solches Ritual. Ein Ritual kann man aber auch regelmäßig an Heilig Abend am "Wolkenkratzer" in unserer Marktstraße beobachten, wenn sich alte Freunde, Exil-Lahrer und Daheimgebliebene vor der Wirtschaft versammeln, vielleicht dem Glühwein zusprechen aber jedenfalls Erinnerungen und Glückwünsche austauschen. Auch dieses Ritual hält vor. Wenn einmal ein Stadtsoziologe der Frage nachgehen will, wie sich eigentlich lokales Bewusstsein bildet – hier fände er reichliches Anschauungsmaterial.Ein anderes Ritual, dem viele Lahrer nachgehen, besteht in regelmäßigen Wanderungen auf den Schutterlindenberg. Auch ich habe ihm schon einmal in der Neujahrsrede die Ehre erwiesen und möchte Sie nun erneut bitten, mir auf unseren Hausberg zu folgen. Heute wollen wir unseren Blick aber nicht nur auf unsere Stadt und ihre Geschichte lenken, sondern darüber hinaus. Wer das tut, bemerkt unweigerlich dass sich die Landschaft vor ihm gleichsam wie ein Buch mit dem Rhein als Mittelfalz öffnet.
Viel ist über diese Landschaft schon geschrieben worden, oft wurde sie gemalt. Aber wohl keiner hat sie so malend beschrieben, wie der große deutsch-französische, elsässische Schriftsteller René Schickele, ein Poet des Dreiländerecks, der sich selbst einen "zweisprachigen Grenzgänger" nannte. Die örtlichen Verhältnisse in Lahr waren ihm vertraut und das Rheintal war ihm schlicht eine "himmlische Landschaft". In einem kleinen Text über diese Landschaft beschreibt er die Begegnung mit einem Artillerieleutnant. 1921, nur wenige Jahre nach dem Großen Krieg, nahm Schickele den Offizier, der ihn müde und erschöpft besuchte, mit auf einen Spaziergang: "Ich führte ihn", so schreibt Schickele, " auf einen Berg und zeigte ihm die Schätze der Erde. Kaum aber ergriff den Leutnant die Schau über die Rheinebene, die Vogesen, die Weinberge, die dem südlichen Schwarzwald vorgelagert sind, und wollte ihn entrücken, als auch schon das wiedergewonnene Freiheitsgefühl in ihm sich seltsam empörte. Sein Artilleristengehirn begann nach Deckungen, Richtpunkten zu suchen und in einer Art Schwärmerei führte er Krieg in dem gewaltigen Garten, der sich seinen Blicken darbot. Er verließ uns, ohne etwas andres von hier mitzunehmen als die Erinnerung an einen möglichen ...