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Die Mädchen haben sich abgemeldet

  • Rouven Sperling

  • Do, 25. April 2002
    Zisch

     

An Skaterplätzen und unter Streetballkörben haben Jungs die Lufthoheit - die Mädels treten häufig nur als Zuschauerinnen an.

Schöne neue Welt: Turnvater Jahn hat schon längst die Rote Karte bekommen und trendiger Freizeitsport ist seit Jahren im Spiel. Streetball, Beachball, Mountainbiking, Kickboarding, Snow-boarding oder Canyoning - vermarktet wird alles, Hauptsache, es ist hip. Und zwar als Erstes für Jugendliche. Aber egal ob in der Halfpipe, beim Skatertreff, auf dem Streetballplatz oder an der BMX-Bahn - eins ist immer gleich: Gesportelt wird von den Jungs. Da fragt sich doch vor allem eines: Wo sind die Mädchen?

Manchmal ist es vielleicht Zufall. Und sicher ist es nicht wie Skater Alex lautstark auf dem Bahnhofsvorplatz kundtut: "Mädels sind voll unfähig, was Sport angeht!" Ganz klar haben Mädchen oft ganz andere Bedürfnisse und sind einfach gar nicht scharf auf die neuen Trends. So jedenfalls formuliert gestenreich Erkan mit seinem Lakers-Käppi im Schatten der Stühlingerkirche. Dafür, dass die Mädchen bei den Trendsportacts meistens außen vor sind, gibt es tatsächlich eine ganze Reihe von Gründen. Und die können in vielen Bereichen liegen, angefangen von der Familie, über Geld, bis hin zum Geschlechterverhältnis.

Denn auch wenn sich in Sachen "kleiner Unterschied" in den vielen Jahren seit Alice Schwarzer wirklich ziemlich vieles bewegt hat: Überwunden ist der kleine Unterschied noch lange nicht. Noch immer wachsen etliche Mädchen und Jungen unter deutlich verschiedenen Voraussetzungen auf. Und noch immer gibt es Untersuchungen, die feststellen, dass Jungen bereits früh große Freiheiten eingeräumt werden, während die gleichaltrigen Mädchen in vielen Familien immer noch die ersten sind, die beim Einkaufen, Putzen und Geschwisterhüten helfen müssen. Das kann einer der Gründe sein, weshalb für Mädchen neben der Schule oft weniger Zeit für das Leben außerhalb der Wohnung bleibt. Ein weiterer Punkt, der wenig verlockend ist, sagt Streetballerin Laura, 15 Jahre, sei die Furcht vor Übergriffen. Eine Erfahrung, die viele Mädchen mit ihr teilen: auch wer nie selbst angegriffen wurde - die meisten waren zumindest schon in irgendeiner Weise mit unangenehmen Situationen konfrontiert, sei es verbal oder handgreiflich, beides hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck auf das Leben einer Jugendlichen. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass institutionalisierten Freizeiträume wie Jugendhäuser einen ungemein hohen Andrang von Mädchen genießen: dort nämlich wähnen sich die Mädchen (und die Eltern die Töchter) in "Sicherheit".

"Wenig verlockend ist auch die Angst vor Übergriffen." Laura (Streetballerin)

Und Sicherheit ist nach wie vor auch ein wichtiges Kriterium bei der Wahl der traditionelleren Freizeitbeschäftigungen von Mädchen. Angefangen vom Reitsport oder Ballett bis hin zum Aerobic oder dem jüngeren Streetdance. Eher selten finden sich - noch immer - Mädchen beim Eishockey oder auch beim Fußball. Kein Wunder, denn in den klassischen "Männer-Sportarten" sind Frauen - und in jungen Jahren Mädchen - noch immer nicht normal akzeptiert. Da muss die Mädchen-Mannschaft des SC Freiburg schon mal auf einen eigenen Rasenplatz für ein Heimspiel verzichten, der den Jungen vorbehalten ist.

Klar ist, dass eigentlich - nach endlosen Jahren festgelegter Verteilungsrituale im Vereinssport - in den Trendsportarten die Karten neu gemischt werden. Eigentlich wäre das ja die beste Chance für Jungs und Mädchen, auch die Rollen neu zu verteilen. Die Mädchen jedenfalls, die nicht nur als Zuschauerinnen neben der Halfpipe sitzen, sondern selber Stunts zeigen, sind häufig genug viel wendiger und mutiger als die Jungs.

Ressort: Zisch

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