Verdacht auf Preistreiberei
Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen – Schuld daran könnten auch Hersteller sein
Lebensmittel in Deutschland haben sich stark verteuert. Das liegt an gestiegenen Kosten – aber womöglich auch an der Profitgier mancher Hersteller. Es wird geprüft, ob Unternehmen die Inflation für sich nutzen.
Erich Reimann (dpa)
Mo, 24. Apr 2023, 19:54 Uhr
Wirtschaft
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Mit seiner Einschätzung steht Jobst nicht allein. Die deutschen Verbraucherzentralen haben bereits Alarm geschlagen. "Manche Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar", urteilten sie kürzlich. Deshalb sei ein kritischer Blick der Politik und des Kartellamts auf Handel und Lebensmittelhersteller notwendig, um zu prüfen, ob Unternehmen die hohe Inflation nutzten, um die eigenen Erträge zu verbessern.
Der Handel sieht die Schuld vor allem bei großen Markenherstellern. Die Chefs der beiden führenden deutschen Supermarktketten Edeka und Rewe, Markus Mosa und Lionel Souque, warfen in den vergangenen Monaten wiederholt internationalen Konsumgüterherstellern vor, Preiserhöhungen zu fordern, die nicht nachvollziehbar seien. Der Chef der Drogeriemarktkette Rossmann, Raoul Roßmann, sagte kürzlich der Lebensmittel Zeitung: "Auch Rossmann hat mit einigen Lieferanten, die überzogene Preiserhöhungen verlangen, Ärger."
Der Allianz-Trade-Branchenexperte Aurélien Duthoit sagt: "Wir beobachten, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind. Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler." Die Lebensmittelproduzenten hätten in Deutschland 2022 rund 18,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr aufgeschlagen, der Lebensmitteleinzelhandel "nur" 12,6 Prozent.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie weist die Vorwürfe einer "der gesamten Branche unterstellten Bereicherung" als "substanzlos" zurück. Angesichts der Einkaufsmacht der vier großen deutschen Handelsketten erscheine es schwer vorstellbar, dass Hersteller unverhältnismäßig hohe Profite generieren könnten. Auch die großen Markenhersteller wollen das nicht auf sich sitzen lassen. "Wir weisen dies entschieden zurück", heißt es bei der Deutschland-Tochter von Weltmarktführer Nestlé. Die Gewinnmarge sei 2022 in Europa spürbar gesunken. Das Unternehmen habe zusätzliche Kosten von mehreren hundert Millionen Euro nur zum Teil weitergereicht. Auch Coca-Cola betont: "Wir haben unsere Kostensteigerungen nicht vollumfänglich an unsere Kunden im Lebensmittelhandel und im Außer-Haus-Markt weitergegeben."
Wettbewerber Unilever (Langnese, Pfanni, Dove) verweist auf die Unternehmenskennzahlen. Sie zeigten, dass der Konzern 2022 weder global noch in Europa in der Lage gewesen sei, gestiegene Rohstoffpreise und Energiekosten weiterzugeben. Der Konsumgüterriese Mars, der neben Schokoriegeln auch den Nudel-Klassiker Miracoli und Tierfutter von Whiskas bis Frolic vertreibt, weist die Vorwürfe ebenfalls zurück.
Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf warnt denn auch vor einseitigen Schuldzuschreibungen. "Ich glaube im Großen und Ganzen nicht, dass der Vorwurf der Preistreiberei gegenüber den Markenherstellern berechtigt ist. Das mag hier und da bei den ganz Großen zutreffen, die mit ihren starken Marken mehr Möglichkeiten haben, Preiserhöhungen durchzusetzen. Aber sonst eher nicht", sagt er. Wenn der Handel lautstark darüber klage, dann gehe es ihm nicht zuletzt um die eigene Profilierung gegenüber den Verbrauchern.
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