Die Bühne als Therapiezimmer
Workshop mit ukrainischen und deutschen Schülern in Konstanz.
Kathrin Drinkuth
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Am Anfang des Workshops steht ein Theaterstück, eine Art Impuls für den gemeinsamen Austausch. Es trägt den Namen der ostukrainischen Heimatstadt der Schüler – Mykolajiwka – und erzählt von den Erfahrungen, die sie im Sommer 2014 gemacht haben. Damals gerieten die Einwohner von Mykolajiwka mitten hinein in den Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Ihr Ort wurde Schauplatz erbitterter Kämpfe. "Die Stadt wurde bombardiert, Wohnhäuser zerstört. Die Einwohner flohen aus der Stadt oder versteckten sich in ihren Kellern", heißt es beim Theater. Eine Schule der Jugendlichen sei beschossen worden. "Sie war plötzlich nicht mehr Schule, sondern Ruine."
In "Mykolajiwka" werden die Jugendlichen zu Darstellern, sie bringen ihre eigenen Erfahrungen mit dem Krieg auf die Bühne. Kates Text etwa handelt von einer Freundin, die in dem Konflikt getötet wurde. Wie schwer ist es ihr gefallen, darüber öffentlich zu sprechen? "Es ging", sagt die 16-Jährige. Dass man die Zuschauer beim Spielen nicht direkt sehen könne, mache es leichter, meint eine Mitschülerin. "Das ist, als wenn wir es uns selbst erzählen würden."
Er sei erstaunt gewesen, als er gehört habe, dass die Deutschen kaum noch etwas von dem Konflikt in seinem Land mitbekommen, sagt der 16-jährige Daniel. "Ich finde aber, die ganze Welt sollte wissen, was da los ist." Kate widerspricht: "Ich finde nicht, dass die Jugendlichen hier alles wissen müssen. Wir wissen auch nicht, was in Konstanz los ist." Beim Austauschprojekt bekommen die Schüler davon jedoch einen Eindruck: Sie sind in Gastfamilien in der Stadt untergebracht.
Krystian ist einer der deutschen Jugendlichen, die an dem Workshop teilnehmen. Es sei das erste Mal, dass er Menschen aus der Ukraine treffe, die von ihren Erlebnissen berichten. "Bislang waren es Nachrichten. Jetzt sind es Emotionen", sagt der 16-Jährige. Wie es ist, in einer Krisenregion zu leben, könne er sich trotzdem nicht wirklich vorstellen. "Ich will es auch nicht, weil ich glaube, dass das gar nicht geht. Man kann nur die Geschichten auf sich wirken lassen."
Im Workshop am Konstanzer Theater gehen die Schüler schwierige Themen an: Kate spricht beispielsweise über die Schwierigkeiten, die ein homosexueller Freund mit seinem Umfeld hat. Andere reden von unerfüllten Sehnsüchten aus der Kindheit, von der Angst vor Aggressionen oder von Problemen mit dem eigenen Vater. Eines der Mädchen muss zwischendurch den Raum verlassen. Es kommen zu viele Emotionen hoch.
"Kunst hat eine therapeutische Aufgabe", sagt Genoux, der seit einem Jahr mit den Schülern aus Mykolajiwka zusammenarbeitet. "Es geht darum, Traumata in Erfahrungen zu verwandeln." Durch das Erzählen auf der Bühne könnten die Jugendlichen erleben, dass sie keine Opfer mehr sind. "Sie werden ernst genommen", sagt der Regisseur, der mit seinem "Theatre of Displaced People" seit 2015 Theaterprojekte und soziale Initiativen in der Ukraine entwickelt. Die Schüler seien in ihrem Stück sehr offen, sprächen etwa über die erste Liebe. "Und sie erfahren, dass Offenheit Respekt erzeugt", sagt Genoux.
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