Rap
K.I.Z. in Freiburg: Die bizarre Perfektion
Provokation als Prinzip: Die Berliner Rapkombo K.I.Z. in Freiburg.
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Die Blicke der Soldaten sind starr nach vorne gerichtet, keiner bewegt sich, während aus den Boxen das "Kannibalenlied" knarrt, die Persiflage eines Soldatenliedes aus dem Zweiten Weltkrieg. "Kannibalen in Zivil / Aufrecht, weise, stabil / Klosterschüler im Zölibat / Hater, da habt ihr den Salat", heißt es da im Refrain, den ein Chor singt. Damit ist vielleicht erklärt, für was die Initialen K.I.Z. eigentlich stehen könnten. Eine Stunde läuft das Konzert da schon, als das Licht ausgeht und die Spots plötzlich inmitten der mit 9000 Besuchern ausverkauften Sick-Arena ein kleines Podest beleuchten. Dort stehen die schwarz gekleideten Rapper Maxim, Nico und Tarek hinter Rednerpulten und winken wie Diktatoren ins Publikum.
Während Tarek regungslos die Blicke der Menschen um ihn herum sucht, trägt Nico Sonnenbrille und zieht genüsslich an einer Zigarette, Maxim in der Mitte hält sich an seinem Rednerpult fest und lehnt sich nach vorne, um zu einer politischen Rede à la K.I.Z. anzusetzen. Deren inhaltliche Ausrichtung deckt sich mit den Texten: sarkastisch, satirisch, provozierend, böse gesellschaftskritisch oder eher böse und gesellschaftskritisch. Wo Humor, da bitte schwarz. Fast überall eine zweite Ebene, doppelter Boden.
Apropos politische Rede: Am Rande sei erwähnt, dass die Rapper Maxim Drüner und Nico Seyfried 2016 bei der Berliner Bürgermeisterwahl als Direktkandidaten für Die Partei antraten. Den Freiburgern zollt Maxim Respekt, da sie wüssten, wo ihr Platz sei: "Ganz, ganz unten." Wer in einer Stadt lebe, in der die Kloake oberirdisch fließe und als Bächle bezeichnet werde, der sei ein passender Untertan in einer von K.I.Z. regierten Welt. Tarek ist gar in Freiburg geboren und bezeichnet sich als "lebenden Beweis, dass man es unter den widrigsten Umständen bis ganz oben schaffen kann". Nach der Rede spielen sie den Song "Abteilungsleiter der Liebe", in dem sie sich als Vorzeigekapitalisten gerieren. "Doch auch wenn ich dich jetzt entlasse, mach mir noch nen letzten Kaffee", heißt es da zu schiefem Gesang.
Es ist nur eine Passage von vielen an diesem Abend, an dem K.I.Z. ausloten, wie perfektionistisch bizarr ein Konzert durchgespielt werden kann. Bei "Boom Boom Boom" fährt der Panzer nach vorne an den Bühnenrand und schießt Pyrotechnik. "Der Lynchmob ist krank vor Neid auf das Fünf-Sterne-Hotel im Asylantenheim", rappt Tarek. "Ihr Partypatrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuz-Idioten / Die geh’n halt noch selber ein paar Ausländer töten / Anstatt jemand zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten / Die Welt zu Gast bei Freunden und so / Du und dein Boss ham’ nix gemeinsam bis auf das Deutschlandtrikot", rappt Maxim.
Es ist ein Song des aktuellen Albums, mit dem die Band ihren eigenen Weg im Deutsch-Rap zementiert hat. Besorgten Bürgern wird der zerdepperte Spiegel vorgehalten, Lebensrealitäten werden gegenüber gestellt, dass einem der Kloß im Hals stecken bleibt. An anderen Stellen schlüpfen die Berliner in die Haut von Psychopathen, die im Büro mit Arbeit malträtiert werden und am Wochenende voller Drogen und Menschenhass sind.
Bei der Zugabe werden Maxim, Nico und Tarek an Seilen in die Höhe gezogen, damit sie als Gottgestalten auf die Menschheit blicken können. "Ihr seid alles, wir sind nichts, nehmt uns auf das Raumschiff mit", fordert der Refrain. Das Publikum huldigt den Berlinern oben. Als der Vorhang fällt, prangt drauf ein Atompilz, in den die Köpfe von K.I.Z. eingearbeitet sind. In Bademänteln kommt die Band nochmals. Zum Rhythmus von "We Are The World" wird a cappella ein Song aus dem Frühwerk der Band angestimmt: "Hurensohn".
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