Katastrophenschutz
Der Staat testet erstmals den Alarm über Apps und Sirenen
Cell Broadcast soll Menschen schneller und direkter warnen. Am 8. Dezember werden testweise Nachrichten auf Mobiltelefone im deutschen Netz verschickt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Fr, 2. Dez 2022, 13:57 Uhr
Deutschland
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Bund und Länder haben den Donnerstag, 8. Dezember, ausgewählt, um die Abläufe einer Warnung und das gesamte deutsche Warnsystem zu testen. Los geht es um 11 Uhr. Das Ende ist für 11.45 Uhr vorgesehen. Getestet werden unter anderem Sirenen, Warn-Apps und die Abläufe zwischen einzelnen Behörden. Erstmals soll Cell Broadcast flächendeckend eingebunden werden. Über das System wird eine Warnung der höchsten Stufe verschickt. Sie erscheint auf den Mobiltelefonen, gleichzeitig wird ein Warnsignal ertönen. Der Warntext enthält den Hinweis, dass es sich um einen Test handelt und einen Link, über den man auf weitere Informationen kommt.
Cell Broadcast (zu deutsch etwa Mobilfunkzellen-Rundruf) ist ein Verfahren, mit dem alle Mobiltelefone angesteuert werden können, die im Mobilfunknetz angemeldet sind. Netzbetreiber können darüber Nachrichten verschicken. In Deutschland wird das Verfahren Teil des staatlichen Warnsystems, neben anderen Kanälen wie Spezial-Apps, Sirenen, Hinweisen in Rundfunk und Fernsehen, Online und auf digitalen Informationstafeln etwa in U-Bahnen größerer Städte sowie über Lautsprecherwagen. Anders als die staatliche Warn-App Nina muss Cell Broadcast nicht installiert werden.
Deutschland ist mit einem Raster aus Funkzellen überzogen, in denen sich die Mobiltelefone dauerhaft anmelden. Bewegt sich ein Telefon von einer in die nächste Zelle, meldet es sich in der ersten Zelle ab und in der zweiten an. Über Cell Broadcast lassen sich gezielt alle Mobiltelefone in einer, mehreren oder allen Zellen anschreiben, ohne dass der Netzbetreiber weiß, wer die Nachricht bekommt. Praktisch eine Postwurfsendung an alle. Im Unterschied dazu ähnelt eine SMS-Kurznachricht einem persönlich adressierten Brief. Für eine SMS ist eine konkrete Telefonnummer nötig.
Andere Länder wie die Niederlande nutzen das System in der Tat bereits länger. In Deutschland hat die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 Lücken im Warnsystem offenbart. Cell Broadcast soll sie schließen und verwendet werden, um gezielter warnen zu können. Schließlich hat fast jeder in Deutschland inzwischen ein Mobiltelefon – und es meist auch angeschaltet. Der Bundestag verpflichtete die Mobilfunkbetreiber im Frühjahr 2022, die Technik möglich zu machen. Von März 2023 an wird sie flächendeckend einsetzbar sein.
Grund für eine Warnung können Chemieunfälle sein wie der Zusammenstoß zweier Güterzüge nahe Wolfsburg, von denen einer hochexplosives Propangas transportierte. Zu den Gründen zählen unter anderem auch Großbrände, Hochwasser, Krankheitserreger, Ausfall der Wasserversorgung, Störfälle in Atomkraftwerken oder Zwischenlagern oder kriegerische Angriffe.
Drei Warnstufen führt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf: Bei Stufe drei wird vor Beeinträchtigungen gewarnt. Bei Stufe zwei ist die Unversehrtheit der Bevölkerung bedroht, der normale Lebensablauf erheblich beeinträchtigt. Bei Stufe eins besteht "Gefahr für Leib und Leben". Und: "Der normale Lebensablauf wird unmöglich."
Grundsätzlich ist in Deutschland der Bund für Zivilschutz und kriegsbedingte Gefahren zuständig, die Länder kümmern sich um Katastrophenschutz, die Städte und Gemeinden um allgemeine, nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr. Alle nutzen das bundesweite Warnsystem mit seinem verschiedenen Kanälen. Bei einem Brand in einem Reifenlager kann zum Beispiel das Lagezentrum der regionalen Feuerwehr entscheiden, ob und über welche Kanäle gewarnt wird. Bei einem drohenden Orkan mit Starkregen kann ein Bundesland Warnungen auslösen, im Kriegsfall der Bund.
Im Prinzip bekommen alle die Warnung, die ein Mobiltelefon haben und sich in den Funkzellen befinden, in denen die Warnung ausgespielt wird. Wer ein recht altes Gerät besitzt, wird wohl nicht erreicht. Solche Telefone nutzen oft veraltete Technik, die die Funktion nicht unterstützt. Und wer sein Gerät ausschaltet, kann auch nicht erreicht werden. Zurzeit schätzen die Behörden, dass am 8. Dezember die Hälfte aller Mobiltelefone in Deutschland eine Warnnachricht bekommen wird. 2021 gab es rund 62,6 Millionen Smartphones in der Bundesrepublik.
Ausschalten lassen sich nur Nachrichten der Warnstufen zwei und drei. Die höchste Warnstufe wird immer durchkommen. Ein- und ausschalten lassen sich die Warnungen, weil es noch keine Erfahrung damit gibt, ob Menschen lieber oft und auch bei weniger gefährlichen Lagen gewarnt werden wollen. So kann abschalten, wer nicht vor dem nächsten Schneesturm gewarnt werden will.
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