Ureinwohner
Der einsamste Mann der Welt lebt am Amazonas
Wie viele es sind, weiß man nicht genau: Im Regenwald in Brasilien leben Völker ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Doch sie sind bedroht: Von einem dieser Stämme ist nur ein einziger Mann übrig.
dpa & KNA
Mi, 8. Aug 2018, 19:20 Uhr
Panorama
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"Es geht ihm gut, er jagt und pflegt seine Papaya- und Mais-Pflanzungen", sagt Funai-Mitarbeiter Altair Algayer. "Er ist gesund und gut in Form." Der Mann gräbt tiefe Löcher, um Tiere zu fangen und sich zu verstecken. Außerdem hat er sich ein Haus mit Strohdach gebaut. Viel mehr ist über ihn nicht bekannt.
Menschenrechtler gehen davon aus, dass die übrigen Mitglieder des Stamms von Viehzüchtern getötet wurden, die in den 1970er und 1980er Jahren in das Tanaru-Gebiet im Bundesstaat Rondônia vordrangen. Die Region gilt als der Wilde Westen Brasiliens, wo Landkonflikte auch mit der Waffe ausgetragen werden. Seit 22 Jahren ist der Mann wohl ganz auf sich allein gestellt. Da er keinen Kontakt zu anderen Menschen sucht, beobachtet auch Funai ihn nur aus der Ferne. "Dieser Mann, der alles verloren hat wie sein Volk und eine Reihe kultureller Praktiken, beweist, dass es möglich ist, allein im Wald zu überleben und sich der Mehrheitsgesellschaft zu widersetzen", sagt Algayer. "Ich glaube, es geht ihm besser, als wenn er Kontakt aufgenommen hätte."
Angehörige von isoliert lebenden Völkern geraten immer wieder in Gefahr, wenn sie in Kontakt mit anderen Menschen kommen. Häufig fangen sie sich Krankheiten ein, gegen die sie keine Abwehrkräfte besitzen. Schon ganze Stämme sind von der Grippe und den Masern dahingerafft worden.
Menschenrechtler und Aktivisten dringen deshalb darauf, den Schutz der isolierten Ureinwohner zu verbessern. "Unkontaktierte Völker sind keine primitiven Relikte einer fernen Vergangenheit. Sie leben im Hier und Jetzt. Sie sind unsere Zeitgenossen und ein wesentlicher Teil der Vielfalt der Menschheit", sagt Stephen Corry, Direktor der Organisation Survival International, die sich für den Schutz indigener Völker einsetzt. "Doch ihnen droht eine Katastrophe, wenn ihr Land nicht geschützt wird."
Wie brasilianischen Medien berichten, sind in den von diesen Völkern besiedelten Regionen Stromtrassen, Straßen, Bahnstrecken und Staudämme geplant. Zudem soll nach Öl und Gas sowie Rohstoffvorkommen gesucht werden.
Unter den Projekten sind 14 laut den Berichten Staudämme sowie acht Straßen. Dem brasilianischen Kongress liegt ein neues Gesetz zur Lockerung der Umweltauflagen für solche Großprojekte vor, das die Interessen der isolierten Völker nicht berücksichtigt. Unter dem seit zwei Jahren regierenden Staatspräsidenten Michel Temer haben die Agrar- und die Industrielobby an Einfluss gewonnen. Sie sind für die Öffnung indigener Gebiete zur wirtschaftlichen Ausbeutung.
Der Fall des "einsamsten Mannes der Welt" zeige, wie schutzlos indigene Stämme skrupellosen Holzfällern, Viehzüchtern und Kriminellen ausgeliefert sind, sagt Stephen Corry. "Die schrecklichen Verbrechen, die gegen diesen Mann und sein Volk begangen wurden, dürfen niemals wiederholt werden. Dennoch droht zahllosen anderen unkontaktierten Völkern dasselbe Schicksal, wenn ihr Land nicht geschützt wird".
Seit 1987 sammelt die brasilianische staatliche Indigenenbehörde Funai Daten über nicht kontaktierte Völker. Sie geht insgesamt von 114 dieser Völker in ganz Brasilien aus. Bislang wurde die Existenz von 28 Völkern bestätigt; 26 weitere Fällen werden derzeit untersucht. Von 60 weiteren Völkern hat die Behörde durch Angaben anderer Völker erfahren, die isoliert lebende Gruppen in den Wäldern gesichtet haben. Die Funai geht davon aus, dass die isolierten Völker bewusst den Kontakt zur Außenwelt meiden.
Die Behörde soll ihrerseits die Völker vor Kontakt schützen. Man fürchtet Krankheiten, gegen die die Indigenen keine Antikörper haben. Da der Haushalt der Funai von Präsident Temer massiv gekürzt wurde, musste die Behörde zahlreiche Beobachtungsposten in den Wäldern aufgeben. Dort sollen nun illegale Holzhändler und Goldsucher verstärkt aktiv sein. Vertreter der indigenen Völker Brasiliens verlangen eine rasche Einrichtung von noch offenen Schutzgebieten, die zusammen die Größe Portugals haben. Allerdings dauert die Landzuteilung im Schnitt neun Jahre.
- Kommentar: Ureinwohner sind von der Zivilisation bedroht (BZ-Plus)
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