Der Druck auf die Länder wächst
Bundesgesundheitsminister Lauterbach wünscht sich baldige Rückkehr der Maskenpflicht / Mehr PCR-Tests gefordert.
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(dpa/AFP/BZ). Virologen haben sie vorhergesagt, inzwischen breitet sich die Corona-Herbstwelle in ganz Deutschland aus. Und mit den steigenden Infektionszahlen wächst der Druck auf die Länder für eine Rückkehr zur Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen. "Die Welle, die sich aufbaut, die wird ja nicht alleine enden. Da muss man reagieren", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
"Wir wollen keine Panik schüren, wir wollen die Länder auch nicht gängeln", sagte der SPD-Politiker. Es müsse aber schon darauf hingewiesen werden: "Irgendwann müssen die Länder sich überlegen: Wäre es nicht doch besser, die Maskenpflicht einzuführen?" Wenn sie sich einigen könnten, wann der optimale Zeitpunkt sei, wäre dies natürlich toll.
Das bundesweite Infektionsgeschehen zieht tendenziell weiter an. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab die Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag mit 794 an – nach 462 gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen vor einer Woche. Dabei gibt es regional weiter erhebliche Unterschiede – von 1573 im Saarland bis 303 in Hamburg. Über der Schwelle von 1000 liegen aktuell nach RKI-Daten auch Bayern (1017) und Hessen (1003).
Experten gehen zugleich von vielen nicht erfassten Fällen aus – vor allem weil viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen und so nicht in die Statistik eingehen. Lauterbach betonte: "Wir haben wieder stark steigende Fallzahlen, wir haben eine hohe Dunkelziffer." Krankenhäuser seien teils schon wieder an der Überlastungsgrenze.
Auch der Ärzteverband Marburger Bund rief zum Gegensteuern auf: "Überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, müssen die Länder mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren", sagte Susanne Johna, Chefin des Marburger Bunds, der Funke-Mediengruppe. Der Virologe Hendrik Streeck warnte indes davor, "zu glauben, dass eine Maskenpflicht jetzt ein Allheilmittel ist, dass wir dadurch wieder eine bessere Bekämpfung der Infektionszahlen haben." Das sei wahrscheinlich nicht der Fall, sagte er bei RTL.
In ersten Ländern wird bereits über verschärfte Maßnahmen nachgedacht. So waren Überlegungen Berlins bekanntgeworden, eine Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden einzuführen. Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hält eine schnelle Ausdehnung der Maskenpflicht für möglich.
Das von der Ampelkoalition geänderte Infektionsschutzgesetz ermöglicht den Ländern außer im Nahverkehr auch Maskenpflichten in Geschäften und Restaurants. In Schulen und Kitas können Tests angeordnet werden. Bundesweit gilt eine FFP2-Maskenpflicht in Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Fernzügen.
Karl Lauterbach sieht Deutschland "eigentlich sehr gut vorbereitet" auf den Herbst und Winter. Es gebe fortentwickelte Impfstoffe, die genau auf die derzeitige Omikron-Variante passten. An diesem Freitag will der Minister "eine Impf- und Corona-Kampagne vorstellen, so dass wir mehr für das Impfen werben werden, was jetzt auch notwendig ist." Die Impfungen dümpeln seit Monaten vor sich hin, am Mittwoch wurden laut RKI bundesweit 97 000 Dosen gespritzt. Im Blick steht besonders die zweite Impfauffrischungen. In der Risikogruppe der Über-60-Jährigen haben laut RKI bisher nur gut 28 Prozent eine vierte Spritze bekommen.
Viele Menschen in Deutschland sind aber momentan wohl relativ gut vor einem schweren Corona-Verlauf geschützt, zumindest was die aktuell dominierende BA.5-Variante angeht. Das geht aus Zwischenergebnissen einer vom Bund geförderten repräsentativen Immunstudie hervor, die das Bundesforschungsministerium am Donnerstag veröffentlichte. Demnach haben 19 von 20 Menschen in Deutschland eine Grundimmunität gegen das Coronavirus entwickelt – entweder durch Impfung oder durch Infektion. Mindestens 76,3 Prozent der Bevölkerung haben zwei Spritzen bekommen, 62,2 Prozent haben dazu einen oder zwei Booster-Impfungen. Zur Strategie für Herbst und Winter gehört auch ein beschleunigter Einsatz von Medikamenten bei Infizierten.
Die Tübinger Pandemie-Beauftragte Lisa Federle forderte unterdessen eine andere Teststrategie. Viele Menschen machten mehrere Schnelltests, die negativ ausfielen, und hätten dennoch Symptome, sagte sie. "Ich würde mir deshalb wünschen, dass wieder verstärkt PCR-Tests gemacht werden und die Zuverlässigkeit dieser Tests stärker hervorgehoben wird", so die Notärztin. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, betonte, ein Schnelltest zeige nicht so gut an, ob jemand infiziert, sondern ob jemand ansteckend sei.
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