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Burgherr vom Bach

Der Biber hat die Gemarkung Titisee-Neustadt erobert

Bengel an Bengel an Bengel: Architekt und Bauarbeiter ist kein Mensch, sondern der Biber. Er hinterlässt mittlerweile überall seine Spuren auf der Gemarkung Titisee-Neustadt.  

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Sauber umgelegte Pappel Foto: Peter Stellmach
Seine Burg besichtigen zu können ist der Höhepunkt einer Ausfahrt mit dem Naturschutzbeauftragten Gerrit Müller.

Dass der Biber die Gemarkung von Titisee-Neustadt besiedelt hat, ist nichts Neues. Konnten einem vor Jahren einzelne Bäume an der Gutach und den Bächen auffallen, die am Ufer oder im Wasser lagen, mit einer Spitze wie bei einem Bleistift, ist das heute fast Normalität – zumindest dort, wo die Gewässer einen gewissen Abstand zum Menschen und seinen Umtrieben haben. Titisee, Langenordnach, Jostal, die Überschwemmungsfläche der Gutach zwischen Titisee und Neustadt, der Okalsee und die Gutach über die Biberwiese (!) hinaus zur Champagnie sind Plätze, wo er seine Spuren hinterlässt. Die Burg übrigens liegt in einer Aue nah an einem Wirtschaftsweg, aber mit deutlichem Abstand zur Straße und einem Hof. Der Bach führt viel Wasser, das Ufer ist verwuchert und teils vernässt. Idealer Lebensraum für den Biber.

Die Fällung führt zu den zarten Trieben

Die Vermutung, dass der Biber ausgesprochen fleißig war, bestätigt sich im Gespräch mit dem Grundstückseigentümer, und zwar so: Ein Biber? Eine ganze Familie muss es sein! Nachts, bei offenem Fenster hat er sie gehört, ein Pfeifen und andere Geräusche. Es haben, obwohl Biber in der Dämmerung und nachts aktiv sind, auch schon Jungtiere den Weg seines Traktors gekreuzt. "Die schaffen zusammen", erzählt er schmunzelnd.

Wie viele es sind, weiß er nicht. Aber mit Sicherheit sagen kann er, dass es genau an diesem Bachabschnitt Biber mindestens seit 2011 gibt und die Wohnanlage seit 2014 größer und stabiler geworden ist. Und dass der Clan wohl auch bleiben will. Denn einmal riss hohes Wasser einen Teil des Damms ein – ruckzuck stand er wieder. Der Damm, den der Biber aus gefälltem Holz zusammenträgt, staut das Wasser an. So verschafft er sich einen höheren Wasserstand, hier lohnt sich der Burgenbau.

Im seichten Wasser erkennt man eine Vertiefung im Schlamm – der Eingang oder Ausgang, sagt Müller. Und der Landwirt weiß, dass es auf der anderen Seite des Bachs ein Loch in der Wiese gibt: Er ist sich sicher, dass der Biber auch grast.

Gewöhnlich sind die saftigen Triebe und dünne Äste die Leibspeise des reinen Vegetariers. Die Hackschnitzel, die er beim Fällen der Stämme zurücklässt, interessieren ihn gar nicht. Die auf den Menschen wie eine Drechselarbeit wirkende Arbeit dient nur dem Umlegen, um an die Feinkost heranzukommen.

Was Menschen wie Gerrit Müller freut, nämlich die Rückkehr eines Tieres, das ausgerottet schien – "vor 30 Jahren flog ich dafür nach Kanada" – und wofür mit Bettina Sättele eigens eine Biberbeauftragte beschäftigt wird, die sich um das Wohlergehen des streng geschützten Nagers kümmert, ist nicht allen geheuer. Auf der Tour de Biber hält Müller und spricht einen Ortsbewohner an: Der meint, es habe schon "zu viele" Biber und weist auf Baumstämme, die am Bach liegen.

Müller pocht nicht auf seine Sicht der Dinge, sondern versucht vermittelnd Verständnis zu wecken. Ja, schon, aber... Er glaubt nicht, dass die Bäume den Bachlauf so weit blockieren, dass das Wasser weit über die Ufer tritt. Übrigens könnten sich die Eigentümer das Stammholz ja holen und als Brennmaterial verwerten, nur die Spitzen dürften sie liegen lassen.

Der Landwirt als "Burgenbesitzer" spricht von "Fluch und Segen". Ja, dass die Natur eine Bereicherung erfährt, sei schon recht, Biber seien ja schon putzig. Er sieht aber auch Probleme. Der Damm hat den Lauf des Bachs verändert, das Wasser hat sich seinen Weg neu gesucht, überspült Gelände und kürzt eine Schleife ab. Er sieht die Gefahr, dass seine Wiese vernässt und teils nicht mehr bewirtschaftet werden kann. Er erwähnt das Risiko, dass der Traktor im nassen Boden einsinkt und kippt. Und er beschreibt diese Sorge: Die Burg liegt unterhalb einer Straßenbrücke. Sollten die Biber ihren Einschlag oberhalb fortsetzen, könnte bei Hochwasser Schwemmholz den Durchlass blockieren und der Rückstau eine große Fläche in einen See verwandeln. Er sagt seine Meinung: In die Wildnis passe der Biber, in die Kulturlandschaft nur bedingt. Sein Vorschlag: Wenn man den Damm so hält, dass der Bach in seinem Bett bleibt, wäre es für ihn in Ordnung.

Totgefahrener Biber auf der B 500

Müller ist froh über die grundsätzliche Gastfreundschaft des Landwirts. Er bietet ihm an: Sollte es Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung geben, soll er sich melden. An eine weitere spürbare Ausbreitung des Bibers glaubt Müller nicht. Die Bäche sind nicht so stark bewachsen, dass unbegrenzt Nahrung da wäre. Und die Biber leben gefährlich: 2014 ging der Okalsee-Biber elend zugrunde, nachdem er in die Stellfalle geraten war und nicht mehr herauskam. Und erst gestern bekam Müller die Meldung, dass auf der Bundesstraße bei Schluchsee ein totgefahrener Biber gefunden wurde. Möglicherweise war er auf Wanderschaft gewesen zwischen Windgfällweiher und Schluchsee.
Verzichtet haben wir in diesem Beitrag auf Ortsbezeichnungen und Namen. So soll einem denkbaren Biber-Tourismus vorgebeugt werden. Besonders Spaziergänger mit Hunden werden um Rücksicht gebeten.

Europas größtes Nagetier

ist ausgewachsen 1,30 Meter lang, der Schwanz misst 30 Zentimeter. Er wird bis zu 35 Kilo schwer. Das Fell ist durch ein öliges Sekret wasserabweisend . Der Schwanz ist als breite, beschuppte "Kelle" ausgebildet. Die Vorderfüße tragen fünf kräftige Grabzehen. Die Zehen der Hinterfüße sind durch Schwimmhäute verbunden, die zweite Zehe ist als "Putzkralle" ausgebildet. Der Biber war 150 Jahre ausgerottet, der Pelz wurde begehrt, das Fleisch als Fastenspeise verzehrt, das "Bibergeil" pharmazeutisch genutzt. Mit dem "Bibergeil" aus Drüsen im Hinterleib markiert das Tier das Revier, in einem Revier lebt jeweils eine Familie mit zwei Jungtierjahrgängen. Bei niedrigen Wasserständen bauen Biber Staudämme aus Bäumen, die sie mit ihren Nagezähnen fällen. Als hervorragende Schwimmer und Taucher können sie bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben. Biber sind sehr anpassungsfähig. Sie sind dämmerungs- bis nachtaktiv. Sie erreichen ein Höchstalter von 20 Jahren.

Ressort: Titisee-Neustadt

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