Das Leben als Gesamtkunstwerk
MENSCHEN VON NEBENAN: Ute Harre ist aktiv als Gestalterin, Händlerin mit Kunst und Autos und Betreiberin eines Reiterhofs.
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WIEHRE. "Nein, langweilig wird mir nicht", sagt Ute Harre (52). Sie verkauft Oldtimer und Kunst, betreibt einen Reiterhof im Dreisamtal, auf dem auch zwei Kängurus leben, und eröffnet bald am Annaplatz in der Wiehre ein kleines Ladengeschäft mit selbstgestalteten Grußkarten, Notizheften und Leuchtrahmen.
Der Laden ist Teil eines Projekts. Was dort und im Internet künftig verkauft werden soll, ist meistens mit Bildmotiven aus Uwe Stohrers regionalem Fotoarchiv bestückt – darauf zu sehen sind Ruderboote auf dem Titisee, Grabmale des Alten Friedhofes in Herdern oder eben weidende Schwarzwaldkühe. Zum Projekt gehört auch ein Postkartenverlag. "Damit befinden wir uns gerade im Aufbau", so Harre und schiebt mit den Worten "So was produzieren wir nebenher" eine Aludose mit Storchenpostkarten über den Tisch. Kartendosen wie diese sollen demnächst auch in Buchläden ausliegen.
Aber das ist nur das eine Leben der Ute Harre. Denn sie betreibt auch noch einen zwischen Kirchzarten und dem Ortsteil Neuhäuser gelegenen Reiterhof für Kinder, die Fancy-Farm, dessen Star aktuell aber keines der Ponys ist, sondern ein junges Wallaby-Känguru. Weil es am Valentinstag erstmals den Kopf aus dem Beutel von Mama Skippy steckte, heißt es Valentin oder Valentina. Noch weiß keiner, ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist. Vier Kinder hat Ute Harre obendrein.
Harre wurde 1963 in Freiburg geboren und hat in Kirchzarten Abi gemacht. Danach ist sie zum Studieren nach Berlin, München und später Stuttgart gegangen: Malerei, Germanistik, Kunsttherapie und Typografie. "Schon während des Studiums habe ich ein Doppelleben geführt", erzählt sie. Studieren hat ihr nicht gereicht, also hat sie parallel dazu ein Praktikum in dem Münchner Kunstbuchverlag Prestel begonnen. Daraus wurde 1989 eine Festanstellung. Für Prestel erschloss sie den amerikanischen Buchmarkt und gestaltete jede Menge Kunstbücher, für die es auch Preise der Stiftung Buchkunst gab. Mit Ende 20 machte sich Ute Harre selbständig und kreierte mit ihrer Stuttgarter Agentur "Fahrenheit 451" Ausstellungskataloge unter anderem für die Documenta in Kassel, die Kunst- und Ausstellungshalle Bonn und das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen. Weiter machte sie sich im Auftrag von Banken auf die Suche nach passenden Kunstwerken für deren Foyers. Damals war Harre Teil der internationalen Kunstszene und kannte Künstler wie Niki de Saint Phalle und Franz Bernhard persönlich.
Nach der Geburt des zweiten Kindes konnte sie nicht mehr weiterarbeiten wie bisher. Anfangs hat sie es noch versucht und nahm ihre Kinder samt Kindermädchen heimlich mit auf die Termine und ließ sie in Cafés warten, um eben mal kurz zum Stillen rüberkommen zu können. "Hätte ich meinen Auftraggebern gesagt, dass ich Kinder habe, hätten die mir die Großprojekte entzogen", meint sie.
Und das mit den Pferden? Als Kind sei sie mehrfach operiert worden, erzählt Harre: "Und das Reiten hat mir nach den Klinikaufenthalten geholfen, körperlich und psychisch wieder fit zu werden." Als Teenager, aber auch später während ihrer Selbständigkeit hatte sie ihr eigenes Pony.
Nach ihrem weitgehenden Rückzug aus der Kunstszene und ihrer Rückkehr nach Freiburg machte Harre ihre Pferde-leidenschaft zum Beruf. 2003 begann sie auf dem Erlenhof in Himmelreich eine Art Kinderzirkus mit Pferden zu veranstalten. 2008 zog sie mit ihrem Stall voller Ponys auf den Schütterleshof in Kirchzarten und gründete die Fancy-Farm (Am Pfeiferberg 4, http://www.fancy-farm.de Dort betreibt sie jetzt ihren Reiterhof und züchtet sogenannte POAs (Ponys of the Americas), eine amerikanische Pferderasse, die als besonders kinderfreundlich gilt. Ihr Anliegen: "Ich will Kinder stärken, und das nicht nur im therapeutischen Sinne, sondern auch in Sachen Selbstbewusstsein und Körpersprache. Im Umgang mit Pferden lernt man das." Harre ist fast täglich auf dem Hof. Mit Handy in der Hosentasche, denn ab und an klingeln frühere Bekannte bei ihr an, meistens Sammler, die nicht nur einen Camille Pissarro, Gerhard Richter oder Sigmar Polke, sondern auch Autos wie einen Lotus oder Bugatti kaufen oder verkaufen wollen. Ganz diskret.
Ihre Jobs gehören für Harre zusammen. Das, was sie mit der Vermittlung von Kunst und Autos verdient, steckt sie in Teilen wieder in die Fancy-Farm. "Würde ich das nicht machen, hätte ich den Hof schon längst dichtmachen müssen", sagt sie. Schließlich sei das ein Hof für Kinder, und damit verdiene man nicht das große Geld. Und als wäre das noch nicht genug, denkt sich Harre schon ihr nächstes Projekt aus – eine Galerieplattform, auf der sie eigene Arbeiten, aber auch die von Künstlern präsentieren könnte. Aber jetzt wird erst einmal der Laden am Annaplatz eröffnet. Mitte Juni soll es so weit sein.