Buchhandel
"Extrem banal": Reaktionen auf Amazon-Laden in Seattle
Der Buchhandel blickt nach Seattle – und ist etwas ratlos: Ausgerechnet der Internet-Riese Amazon hat dort ein Ladengeschäft eröffnet – es soll nicht das einzige bleiben.
Fr, 6. Nov 2015, 0:00 Uhr
Computer & Medien
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"Wir haben 20 Jahre buchhändlerischer Erfahrung eingesetzt, um ein Geschäft zu entwerfen, das die Vorteile von Offline- und Online-Einkäufen verbindet", sagt Amazon-Books-Vizechefin Jennifer Cast. Das Ergebnis in einem edlen Einkaufszentrum von Seattle sieht auf den ersten Blick aus wie jene Läden, die Amazon in der Vergangenheit so bedrängt hat. Mit seinen zahlreichen Holzelementen, den Sesseln, einem Café und Kunstinstallationen erinnert der Lesepalast insbesondere an die angeschlagene Buchkette Barnes & Noble. Beim zweiten Hinschauen fallen ein paar Besonderheiten auf: Alle Bücher stehen mit dem Titel nach vorn; Tablets, E-Reader, Telefone und Streaming-Geräte des Versand-Giganten können ausgiebig getestet werden. Bei Elektronik hatte Amazon zuletzt gegen Technikfirmen verloren, deren Produkte Kunden vor dem Kauf in die Hand nehmen können. Das Pilotprojekt hält auf 510 Quadratmetern Ladenfläche und 185 Quadratmetern Lager rund 6000 Titel vorrätig. Wegen der aufwendigen Präsentation sind das weit weniger als in Geschäften, die vorrangig mit dem Rücken nach außen sortieren. Die Werke werden unter anderem nach Kundenbewertungen und Verkaufszahlen ausgewählt. "Das sind fantastische Bücher", schwärmt Vize-Präsidentin Cast. Die meisten hätten von Lesern mindestens vier von fünf Sternen erhalten und überdies Preise gewonnen.
Die Berücksichtigung von Kundenratings soll sicherstellen, dass auch Nischenprodukte zu ihrem Recht kommen. Info-Karten zu jedem Titel klären über solche Bewertungen auf, die Amazon-App auf dem Handy führt bei Bedarf in die Tiefe. Und natürlich gibt es fachkundige Berater – der Seattle Times zufolge hat Amazon einige davon ortsansässigen Buchhändlern abgeworben.
Der Anbieter selbst verfügt über gigantische Datenmengen zum Markt. Amazon hofft, damit auch lokal ein zielgenaueres Angebot machen zu können als herkömmliche Geschäfte, die nach jeder Saison Ladenhüter haben. Allerdings arbeitet auch der Rest der Branche mit einem Mix aus Bestsellerlisten und dem Urteil des eigenen Personals. "Amazons neues Buchgeschäft ist extrem banal", urteilte ein ehemaliger Händler nach der Premiere am Dienstag im Magazin New Republic. Erste Kundenreaktionen waren freundlich.
Beim Preis soll es offline und online keinen Unterschied geben, das macht der traditionellen Branche am meisten zu schaffen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angesichts von Miete und Personalkosten da irgendeinen Profit gibt", sagte Buchhändler Peter Aaron der Nachrichtenagentur Associated Press. Aaron gehört das unabhängige Buchgeschäft Elliott Bay Book in Seattle, das laut AP 160 000 Titel vorrätig hat.
Analysten glauben allerdings, dass es Amazon gar nicht vorrangig um Profite geht, sondern um drei andere Dinge: Imagepflege analog zu den Ladengeschäften, mit denen Apple, Microsoft oder Google ihre Marken begleiten. Bessere Präsentationsmöglichkeiten für elektronische Produkte. Und eine Chance, das Kauf- und Leseverhalten der Kundschaft live zu studieren. So lang das Kerngeschäft online läuft, kann der Internetgigant sich die Spesen für ein paar unprofitable Läden ohnehin leisten. Amazon-Books Vizechefin Cast sagte, die Firma wolle sich zunächst auf das Pilotprojekt konzentrieren, hoffe aber auf Nachfolger in anderen Städten.
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