Tiefseeforscherin Angelika Brandt
Bis in die dunkelsten Ecken der Meere
Die Tiefsee ist ein bisschen wie ein schwarzes Loch. Eine, die etwas Licht ins Dunkle bringen will, ist Angelika Brandt. Sie ist Tiefseeforscherin und arbeitet am Senckenberg Instituts für Naturforschung.
dpa
So, 16. Sep 2018, 19:30 Uhr
Panorama
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Tief unten im ewigen Dunkel, unter massiven Druckverhältnissen sei überhaupt kein Leben mehr möglich, dachten Wissenschaftler früher. Erst im 19. Jahrhundert widerlegte eine Expedition die Behauptung, dass unterhalb von 600 Metern Wassertiefe kein Leben mehr möglich sei. Tiefsee-Pioniere wie der Schweizer Jacques Picard gingen noch tiefer. "Für Organismen ohne Gas-Hohlkörper ist das ein ganz normaler Lebensraum", versichert Brandt.
Mit ihren Spezialgebieten Tiefsee und Polarregionen hat sich Brandt nicht gerade unkomplizierte Regionen vorgenommen. Die Leiterin der Marinen Zoologie bei Senckenberg war ursprünglich Lehrerin, doch dann wurde das Interesse an der Naturwissenschaft immer größer. Als Doktorandin unternahm sie ihre ersten Tauchgänge in der Antarktis. Die unterschiedlichen Lebenssysteme in Arktis und Antarktis faszinieren sie.
Und dann ist da noch die Tiefsee-Assel, die im Gegensatz zu den meist sehr kleinen Lebewesen in der Tiefsee bis zu 47 Zentimeter groß werden kann. Brandt wirft einen sehnsüchtigen Blick auf das eindrucksvolle, in einem Glas konservierte Tier aus den Senckenberg-Sammlungen. "Ich habe nie das Glück gehabt, eine Riesenassel in einer Probe zu sehen", bedauert sie. Immerhin, in Aquarien konnte sie kleinere Verwandte der Art studieren.
Untersuchungen in der Tiefsee erfordern erheblichen technischen Aufwand und sind teuer: "Für eine sechswöchige Expedition kostet allein die Schiffszeit rund 1,5 Millionen Euro", schildert Brandt den Aufwand einer Forschungsreise. Rund sechs Stunden könne es dauern, eine einzige Probe an die Oberfläche zu holen. Dabei kommen etwa Kabel mit 12 000 Meter Länge zum Einsatz. "Bis zu 11 000 Meter lassen wir runter, der Rest ist Reserve." Die Zugspannung sei enorm.
Mehr als 60 Prozent der Erdoberfläche zählen zur Tiefsee – flächenmäßig ist sie damit das bei weitem größte Ökosystem der Erde. Aber auch das unzugänglichste und deshalb über weite Strecken noch unerforscht. Der Vorstoß in die Tiefsee ist nur mit erheblichem technischem Aufwand möglich. Wichtig sei er dennoch, betont Brandt: "Um mögliche Konsequenzen unserer Eingriffe ins Ökosystem zu erkennen." Mikroplastik etwa sei mittlerweile auch schon in Tiefseeschichten nachgewiesen worden. Es gelte daher auch, mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Politik Handlungsoptionen zu geben. "Unsere Forschung fließt ein in die Etablierung von Schutzzonen."
"Wir müssen untersuchen, in welchem Umfang wir wessen Sicherheit bedrohen", sagt auch Robert Watson, Vorsitzender der wissenschaftlichen Organisation IPBES, die als "Weltklimarat für Artenvielfalt" gilt. Das gilt gerade auch für die Lebewesen, die wie die Tiefsee-Bewohner in der Regel den allermeisten Menschen unsichtbar bleiben.
Deshalb werden nach den Expeditionen in monatelanger Kleinarbeit Proben ausgewertet, beschrieben und analysiert. Am wohlsten fühlt sich die Meeresforscherin allerdings an Bord eines Forschungsschiffs. "Als Mann wäre ich vielleicht zur See gefahren", sagt sie. "Kapitän, das wäre doch was. Aber dann hätte ich nicht all diese faszinierenden Lebewesen kennengelernt."
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