"Better burn out, than fade away" - lieber verglüht als erloschen
Noch viel Feuer hat Neil Young, Rock-Legende aus Woodstock-Zeiten - beim Lörracher Stimmen-Festival bewies er seinen Fans: Rock 'n' Roll can never die.
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Young wirft fast jedes Jahr eine neue Platte auf den Markt, also eine Schallplatte, denn der Meister verabscheut das silbrige Plastik namens CD. Anfang der Neunziger war seine Musik plötzlich wieder aktuell und eine heranwachsende Generation entdeckte seine doch meist etwas depressive Musik neu. Die Grunge-Generation übernahm seinen verstörenden Gitarren-Sound und sogar seinen Kleidungsstil: abgerissenes Holzfällerhemd und kaputte Jeans.
Kurt Cobein von Nirvana zitierte in seinem Abschiedsbrief, bevor er sich erschoss, aus Youngs "Hey hey, my my": "It's better to burn out, than to fade away". Später nahm Young eine Platte mit den Grungern von Pearl Jam auf und widmete sein 94er Album "Sleep With Angels" eben jenem Kurt Cobein. Ließ sich sonst aber nicht weiter beirren und machte das, was er schon immer gemacht hat: Perfekte Songs schreiben und die dann vorzugsweise live spielen.
Seine Musik bezeichnen viele als den letzten richtigen Folk-Rock, mal stur mit stundenlangen Gitarren-Solos vorgetragen, mal alleine mit akustischer Gitarre und Mundharmonika um den Hals. Vielleicht ist das für manchen altmodisch und nervig, aber Neil Young macht eben das, was er am besten kann: rocken!
Und so beginnt auch das Konzert im Lörracher Burghof: Young kommt gelassen auf die viel zu große Bühne geschlendert, sagt kein Wort zur Begrüßung, nimmt sich die E-Gitarre und fängt mit den drei Crazy Horse an zu rocken. Die ersten Songs verschwimmen im breiten Gitarren Sound, es bleibt die Dynamik, die allen Songs innewohnt und die der über 50-jährige Young wohl nie verlieren wird. Einzig das dahin gerotzte "Piece Of Crap" von "Sleep With Angels" ragt heraus, das kurz vor dem Umkippen gerade noch die Kurve kriegt, doch nahezu perfekt zu sein.
Dann kommt das Akustik-Set: alleine auf der Bühne mit Gitarre und Mundharmonika zelebriert Young einen Song vom 92er Hit-Album "Harvest Moon", "From Hank To Hendrix": "Here I am with this old guitar, doin' what I do". Und genau das ist es, was er macht: er spielt seine Songs. Und so roh akustisch haben die Songs eine enorme Stärke. Es ist wohl allen hier auf dem Marktplatz, eingerahmt von alten Häusern und mit der sternklaren Nacht über den Köpfen, bewusst, dass es eben diese Songs sind, die Neil Young so einzigartig machen. Und es ist seine Wahrhaftigkeit, alles ist echt: jedes Gefühl ist nachgefühlt und in einen Song gepackt, alles Neil Young pur. Und das hat nichts mit dem Alter zu tun - auch wenn ich hier weit und breit der Jüngste bin -, das Gemeinschaftsgefühl wird bestimmt von der Musik. Anbiedern an das Publikum hat Neil Young nicht nötig, er spricht den ganzen Abend kein einziges Wort, bringt nur die Songs, das reicht. Mit fortschreitender Nacht wird das Programm gespenstischer: "Long May You Run", die Hymne auf den alten Leichenwagen, den Young einst fuhr, um vom einen Konzert zum anderen zu kommen, wird auf einer uralten Kirchenorgel gespielt: "Long may you run, although these changes have come", fast könnte man meinen, es geht um Young selbst, der sich schon immer gegen alle Marketingstrategien und Moden gewehrt hat - und sein Ding macht.
"Long may you run, although these changes have come." Neil Young
Zum Höhepunkt des Konzerts wird wieder die Gitarre eingestöpselt und "Hey hey, my my" erklingt mit einer Dynamik, die ihresgleichen sucht, - selbst Oasis, die den Song coverten, erreichten nicht diese Intensität. Aus den Trümmern von "Hey hey, my my" steigt dann das mit einem Gitarrengewitter beginnende "Like A Hurricane". Spätestens jetzt fängt das Mitsingen an und die Gitarrensolos werden immer länger, aber bei den Musikern auf der Bühne und bei den Zuschauern zeigen sich noch keine Ermüdungserscheinungen.
Weiter geht es mit den ersten Zugaben des Abends: "Cinnamon Girl" rockt wieder mit langen Solos und die zwei-Stunden-Marke ist auch schon erreicht. Bei "Down By The River" kommen zwei Sängerinnen auf die Bühne und mittendrin verwandelt sich der Song in einen furiosen Blues mit Jam-Charakter. Und noch immer ist kein Ende in Sicht: das alte "Zugabe!"-Spiel und es folgt "Powderfinger" vom legendären "Rust Never Sleeps"-Album. Jetzt scheint der Höhepunkt endgültig erreicht und die Musiker legen die Instrumente weg, aber Neil Young will noch nicht aufhören.
Nach kurzer Beratung unter den Musikern auf der Bühne folgt dann doch endlich "Rockin' In A Free World" und die Stimmung ist kurz vor dem Überkochen. Zum Abkühlen heißt es dann noch als letztes "I don't wanna go back to Woodstock", bevor alles verschwimmt. Und nach Woodstock zurück will hier auch wirklich keiner mehr, Lörrach reicht vollkommen. Gehen will eigentlich nach über zweieinhalb Stunden Rock 'n' Roll auch keiner so richtig und mancher hat noch die Zeile aus "Hey hey, my my" im Kopf: "Rock 'n' Roll can never die", so heißt es da und den Beweis gab's an diesem Abend.
Noel Gallagher von Oasis hat einmal gesagt, dass er weinen müsse, wenn er Neil Young Gitarre spielen höre. So Schlimm war es dann doch nicht. Aber irgendwann auf der Autobahn zwischen Basel und Freiburg setzt sich der Gedanke fest: "Long may you run, Neil Young!"
Sebastian Lehmann
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