Mode
Barbershops: Wo der Mann noch Mann sein kann
Bier statt Prosecco – und der Bart steht im Mittelpunkt. Barbiere, Haar- und Bartschneider, die ausschließlich Männer bedienen, werden immer beliebter – auch in Südbaden.
dpa
Fr, 20. Mai 2016, 0:00 Uhr
Panorama
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Vor einigen Monaten wurde Marco Sailer bei einem Wettbewerb zum besten Barbier Deutschlands gekürt. Sein Laden am Rande des Mannheimer Ausgehviertels Jungbusch ist gerade einmal 25 Quadratmeter groß. Ein ausgestopfter Fasan thront über der Eingangstür, in der verglasten Kassentheke stapeln sich bunte Dosen mit Haarwachs, Pomade oder Rasiercreme. Für Frauen gibt es hier nichts. Das bedeute aber nicht, dass der Mannheimer keine Frauen in seinem Laden duldet, wie mancher Kollege. Die Haare würde er ihnen aber nicht schneiden. "Ich bin eben auf Männerfrisuren und Bärte spezialisiert", sagt der tätowierte Barbier.
Früher war es nichts Besonderes, dass Geschäfte nur auf Damen- oder eben nur auf Herrenschnitte spezialisiert waren. "Deshalb ist der klassische Barbershop auch kein Trend, sondern viel mehr eine Rückbesinnung", sagt Micha Birkhofer. Der Gründer des Unternehmens "101Barbers" mit Sitz in Waiblingen hatte im vergangenen Herbst den ersten "German Barber Award" ausgeschrieben, bei dem sich Marco Sailer in allen drei Disziplinen durchgesetzt hatte.
Klassische Fertigkeiten des Handwerks sind die Nassrasur mit dem Messer, der klassische Kurzhaarschnitt oder das Formen eines Bartes. "Wir wollten dieser Szene ein Podium bieten", sagt der Unternehmer, der mit seiner Firma vom Barbier-Stuhl bis zum klassischen Werkzeug alles anbietet, was ein Barbier benötigt.
Birkhofer schätzt, dass es mittlerweile bis zu 300 solcher Läden in Deutschland gibt. Tendenz steigend. Allein in Freiburg haben in diesem Jahr mindestens zwei neue Geschäfte aufgemacht. Gerade junge Männer legten zunehmend Wert auf einen gepflegten Kurzhaarschnitt und einen schönen Bart. "Selbst wenn die Bärte wieder kürzer werden und andere Frisuren in Mode kommen, die Exklusivität der Läden bleibt", so Birkhofer.
Auch Roberto Laraia, Art Director des Modeteams beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks, sieht in den zumeist kleinen Läden mehr als eine Modeerscheinung. "Wir haben heute in Deutschland eine größere kulturelle Vielfalt als vor einigen Jahren. Anders als in Deutschland war der Barbier in der Türkei oder auch in Italien nie verschwunden", sagt er. Die Kinder der Einwanderer würden längst vergleichbare Läden in Deutschland führen. Auch das habe dazu beigetragen, dass überall hippe Barbershops eröffnet werden.
Dass sich Männer kunstvoll ihre Bärte in Form bringen lassen und Kurzhaarschnitte aus den 1950er Jahren mögen, habe aber noch einen anderen Grund, vermutet Laraia. "Die Rollenmodelle von Frau und Mann gleichen sich in vielen Bereichen zunehmend an. Das bewirkt andererseits eine Rückkehr zu klaren Erkennungszeichen der eigenen Identität." Hinzu komme, dass die oft individuell eingerichteten Läden den hektischen Alltag außen vor ließen und den Kunden ein besonderes Lebensgefühl vermittelten.
Wenn Marco Sailer und sein Kollege ihren Kunden die Haare schneiden, blicken die in eine elegante Spiegelwand aus den 1930er Jahren. In der Luft liegt der süßliche Geruch von Haarwasser. Termine vergibt der Mannheimer mit einem alten Telefon, das an der Wand hängt und per Wählscheibe bedient wird. Umständlich? Vielleicht. Aber auch schick. Der Terminkalender ist jedenfalls prall gefüllt. Der Barbier ist bis August ausgebucht.
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