Ballerinas in spe
Plié, Arabesque und viel rosa Tutu: Rund 4000 Mädchen und Jungen tanzen beim hochklassigen Dance World Cup in Offenburg um Medaillen.
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Korinna Söhn steht am langen Tresen des Kaffeestands im Foyer und ist als Gründerin des World Cups und künstlerische Leiterin die Frau für alle Fälle. Mal bedankt sich ein kleines Mädchen, das mit der deutschen Mini-Nationaltanzgruppe Gold gewonnen hat, zusammen mit ihrem türkischstämmigen Vater schüchtern, aber strahlend dafür, dass Söhns Ballettförderkreis ihre Reisekosten übernommen hat. Mal steht ein kanadisches Mädchen weinend vor ihr, weil es seine Akkreditierung verloren hat.
Wer einen Blick dafür hat, der sieht, dass Korinna Söhn – unprätentiöser Prinz-Eisenherz-Haarschnitt, gelbes "Deutschland"-T-Shirt und Sommerrock – ihr Leben lang getanzt hat. Erst bei ihrer Mutter, die 1946 eine Ballettschule in München gründete, später als Tänzerin in London, schließlich übernahm sie die Schule ihrer Mutter. Bei jeder Armbewegung Söhns, die sie zur Bekräftigung ihrer Worte verwendet, kann man erahnen, wie sehr ihr der Körper seit jeher als Ausdrucksmöglichkeit dient.
Warum sie 2004 den ersten World Cup für Disziplinen wie Ballett, Folklore, Modern Dance, HipHop und Stepptanz gegründet hat? "Sportler fahren ja auch nicht gleich zu den Olympischen Spielen, sondern nehmen von klein auf an Wettbewerben teil", sagt sie. So fand 2004 der erste Dance World Cup im bayerischen Fürstenfeldbruck statt und kehrte nun nach Stationen wie Faro, Vancouver, Paris und Brighton in diesem Jahr erstmals wieder in eine deutsche Stadt zurück.
12 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre nahmen weltweit im Vorfeld an den Qualifikationsturnieren teil, 4000 aus 35 Ländern haben es in die Finalwettbewerbe geschafft, die bis einschließlich Samstag in Offenburg stattfinden. Im Programmheft steht auf den letzten zwei Seiten, was aus früheren Gewinnern und Gewinnerinnen geworden ist. Ein paar haben es tatsächlich in die kleine Riege der Weltelite geschafft.
Sinah Makowski schlendert im weißen Tutu und pinkfarbenen Schläppchenwärmern zusammen mit Mutter und Schwester an den Ständen im Foyer vorbei, an denen Spitzenschuhe, Stulpen, Zehenprotektoren und Schlüsselanhänger-Tutus angeboten werden. Ob sie mal Profitänzerin werden will? Die Neunjährige aus Remscheid lächelt verlegen und zuckt mit den Schultern. Derzeit trainiert sie bis zu fünfmal die Woche, einmal davon im Einzelunterricht. "Es macht sehr viel Spaß, das ist die Hauptsache", findet sie.
Wie viele Kinder und Erwachsene im recht hüftsteifen Deutschland tanzen, wird nirgendswo erfasst. Nach Ansicht von Denise Temme vom Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule könnten es in jedem Fall mehr sein. Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit, alles werde im Tanz verbunden. "Das ist allerdings im Fußball etwa genauso", gibt Temme zu, die früher selbst gespielt hat. Das Besondere am Tanzen sei dabei jedoch die "reflektierende Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper". Nach dem Motto: Wie halte ich den Arm? Wie fühlt er sich dabei an? Ein gutes Körpergefühl sei allgemein im Leben hilfreich, man lerne, sich zu präsentieren. "Während meiner Vorträge profitiere ich enorm davon", ist die Juniorprofessorin überzeugt. Tanzen erfordere zugleich die Konzentration auf den Moment und – beim Erlernen ganzer Choreografien – eine hohe Merkfähigkeit.
Im großen Saal gibt es Szenenapplaus. Drei kleine Flamencotänzerinnen kokettieren so gekonnt mit dem Publikum, wedeln mit ihren Fächern und lassen ihre Röcke fliegen, dass nicht nur die spanischen mitgereisten Teamkolleginnen und deren Mamas und Papas Fähnchen schwingen, sondern auch die aus der Ukraine, aus England und Deutschland. Von den Schnurrbart-Toreros sind immerhin zwei von dreien echte Jungs. Bei einem späteren Schuhplattlerauftritt allerdings übernehmen die Mädchen nicht nur den Dirndl-, sondern auch den kompletten Lederhosenpart.
Für Organisatorin Söhn ist klar, woher das kommt: Schon in Kindergartenzeitschriften und Kaufhäusern sei für Mädchen alles in Rosa gehalten, für die Jungs alles in Schwarz und mit einem Fußball versehen. "Dabei tanzen Jungen genauso gern." In vielen Kulturen sei das selbstverständlich, gerade die Nationaltänze seien oft eher eine Männerdomäne. "Vor Jahren war ich zu Besuch in einer Ballettschule in Kolumbien. Da gab es mehr Buben als Mädchen." Tanzen sei Lebensfreude für alle, und genau darum ginge es ihr, Söhn, bei dem Wettbewerb. Und: "Wir legen Wert auf kindgerechtes Tanzen." Das gelte für die Choreografien genauso wie für die Outfits. "Netzstrumpfhosen tragen hier keine Kinder."
Was ist Ballett?
Ballett ist ein Tanz, der sich im 15. und 16. Jahrhundert entwickelte – erst in Italien, bald darauf in Frankreich.
Das ist der Grund, warum noch heute viele Grundbegriffe nur auf Französisch verwendet werden – etwa plié (Knie beugen) oder relevé (auf die Fußspitze). Ballett ist ein Tanz zu klassischer Musik, der viel Übung erfordert. Das geschieht im Unterricht an einer Stange. Daran hält man sich mit einer Hand fest und übt die verschiedenen Positionen und Bewegungen. In der Mitte des Übungsraumes werden dann Drehungen und Sprünge geübt. Wichtig ist, die Balance zu behalten.Für Auftritte werden ganze Tänze einstudiert, die oft auch eine Geschichte erzählen. Gut trainierte Mädchen können eines Tages auch auf Spitzenschuhen tanzen, vorausgesetzt ihre Füße eignen sich dafür. Sonst tut es zu sehr weh und schadet ihnen.
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