Artenschutz

Badischer "Schmetterlingsmann" kämpft für die ungeliebte Brennnessel

Niemand mag Brennnesseln. Doch ein Mann aus Pfaffenweiler kämpft für ungeliebte Pflanzen, weil sie wertvoll für Falter und Schmetterlinge sind. Wir haben ihn in seinem Garten besucht.  

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Ein Schwalbenschwanz Foto: Thomas Lutz
Ein südbadischer Garten im Sommer, ein Brunnen plätschert, Bienen summen. Die grüne Oase von Thomas Lutz ist besonders, denn sie soll Schmetterlinge anziehen. Es wachsen dort Karotten, Dill, Fenchel und Disteln – sie dienen als Futter für die Raupen. "Wenn man Glück hat, legen Schmetterlinge auf diesen Pflanzen Eier ab", sagt der 69-Jährige.

Auch Brennnesseln sind bei Schmetterlingen sehr beliebt. Doch nicht jeder Standort eignet sich für die Pflanze, die beim Berühren Hautreizungen auslösen kann. Die Brennnessel ist zwar als Heilpflanze bekannt, aber bei zahlreichen Gärtnern gilt sie als Unkraut. Lutz, früher auch Lehrer und Schulleiter auch in Übersee, wird unruhig. Ein cremefarbener Schmetterling schwirrt umher, ein Kleiner Kohlweißling. Später stellt sich heraus, dass ein Weibchen auf einer unscheinbaren Rucola-Pflanze ein Ei hinterließ.

Beim Thema Garten kommt der "Schmetterlingsmann", wie Lutz in Pfaffenweiler auch genannt wird, ins Schwärmen. "Wichtig ist natürlich, auf Chemie zu verzichten", meint der gelernte Englisch- und Geografielehrer. Wildblumen sind höchst willkommen, denn sie bieten den Faltern Nektar. Die sommerliche Trockenheit hat auch Thomas Lutz zu schaffen gemacht, Futterpflanzen trieben nicht mehr aus. "Wir mussten sogar den Fenchel gießen, da er keine frischen Triebe mehr hatte."

Der Hobbyzüchter fand als Zwölfjähriger in einer Scheune die ersten Puppen, aus denen Schmetterlinge schlüpften. Seitdem hat ihn die Leidenschaft nicht mehr losgelassen. Seine Frau Rosemarie ist bei der Aufzucht schon lange mit dabei. "Die Entwicklung eines Schmetterlings ist absolut faszinierend", erzählt Lutz.

Erst ist das Ei da. Daraus schlüpft die Raupe, die sich dann mehrfach häutet. Sie frisst bestimmte Pflanzen und nimmt damit die Energie für den späteren Schmetterling auf. Dann hängt sich die Raupe auf und wird zur Puppe. Diese Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling wird Metamorphose genannt. Aus der Puppe schlüpft später der Schmetterling – das kann zwei Wochen später sein, manchmal überwintert eine Puppe auch.

Als einen ganz besonderen Moment beschreibt Lutz das Schlüpfen. Manchmal dauere es weniger als 30 Sekunden. "Der Schmetterling entfaltet die zunächst winzigen Flügel und lässt sie dann aushärten. Dann ruht er sich aus und genießt erstmal die Sonne, bevor er losfliegt."

Die Begeisterung für Schmetterlinge hat Thomas Lutz bei seinen Auslandsaufenthalten begleitet. In Mexiko überwintert der Monarchfalter, der zuvor aus Kanada oder den USA kommend 4000 Kilometer oder mehr zurückgelegt hat. Viele Schmetterlinge überleben die Reise nicht. Ihre "Kinder", "Enkel" und "Urenkel" setzen sie fort. Mit Hilfe von Registrierungsaufklebern wurde nachgewiesen, dass manche Falter auf dem Baum der Vorfahren überwintern, sagt Lutz. "Dazwischen liegen mehrere Raupenstadien und Tausende von Kilometern. Niemand weiß, wie sie das machen."

Zur heimischen Aufzucht brauche man eigentlich nur einen geeigneten Kasten, der stets sauber gehalten werden müsse. Und nicht zu vergessen: frisches Futter. "Viele Tagfalterraupen fressen Brennnesseln." Vergleichsweise einfach seien das wärmeliebende Tagpfauenauge und der Kleine Fuchs, dessen Markenzeichen die orange-braunen Flügel sind.

Lutz organisiert in Pfaffenweiler ein Ferienprogramm für Kinder zur Aufzucht von Schmetterlingen. Nach den Worten der Naturschutzreferentin des Landesverbandes der Umweltorganisation BUND, Almut Sattelberger, ist gerade der pädagogische Aspekt bei Schmetterlingen nicht zu unterschätzen. "Das ist ein wichtiger Teil der Umweltbildung", so die Expertin. Kinder könnten aus eigener Anschauung lernen, wie sich Insekten entwickeln.

Auch Schmetterlinge sind bedroht, die Artenvielfalt ist zunehmend eingeschränkt. Der BUND rechnet vor, dass nur rund ein Drittel der Tagfalterarten noch ungefährdet sei, bei den Nachtfaltern sei es etwa die Hälfte. Landwirtschaftliche Monokulturen machen den Insekten zu schaffen. Sie leiden auch unter dem Klimawandel und Umweltgiften.

Thomas Lutz wird nicht müde, ungeliebte Pflanzen wie die Brennnessel zu verteidigen. Diese werde im Sommer nicht nur abgemäht, sondern oft noch gehäckselt oder mit Herbiziden abgetötet. "Da bleibt von Eiern und Raupen kaum etwas übrig", bilanziert er. Es gebe aber auch Lichtblicke. Nachbarn ließen inzwischen in ihren Gärten Futterpflanzen für die Raupen wie den Fenchel wachsen. "Ich bin überzeugt, dass man über Kleingärten eine Menge erreichen kann, um den Schmetterlingen zu helfen", meint der Züchter.
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