Großer Rat
Ausländer sollen in Basel wählen und abstimmen dürfen
sda
Mo, 01. Juli 2024, 06:05 Uhr
Basel
In Basel-Stadt sollen auch ausländische Einwohner an politischen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen dürfen. Der Beschluss des Großen Rats zeigt ein gespaltenes Parlament.
Rund 38 Prozent der in Basel-Stadt lebenden Menschen über 18 Jahren und ohne Schweizer Bürgerrecht dürften nicht mitbestimmen, sagte die Präsidentin der vorberatenden Justiz- und Sportkommission (JSSK), Barbara Heer (SP). Dadurch werde eine beträchtliche Minderheit von politischen Entscheidungen ausgeschlossen.
Konkret sollen Ausländer die Möglichkeit erhalten, an den lokalen Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen. Bedingung dafür ist, dass sie seit mindestens fünf Jahren in Basel-Stadt wohnen und über eine Niederlassungsbewilligung verfügen. Das passive Wahlrecht, also die Möglichkeit, sich wählen zu lassen, ist ausgeschlossen. Riehen und Bettingen können selbst entscheiden, ob sie ein adäquates Stimm- und Wahlrecht einführen wollen. Die beiden Gemeinden wollen aber davon nichts wissen.
Die Vorlage ist ein Kompromiss der JSSK auf der Grundlage einer SP-Motion. Eine Kommissionsminderheit stellte sich wie die bürgerlichen Fraktionssprecherinnen und -sprecher auf den Standpunkt, dass es bei diesem Thema keine Kompromisse geben könne. Wer abstimmen möchte, solle sich einbürgern lassen, sagte FDP-Großrat David Jenny als Sprecher der Kommissionsminderheit.
Regierungspräsident Conradin Cramer (LDP) wies auf zwei Schönheitsfehler des JSSK-Kompromisses hin. Die Entflechtung des aktiven und passiven Wahlrechts sei in der schweizerischen Rechtstradition ungewöhnlich. Auch der Umstand, dass die Landgemeinden Riehen und Bettingen gesondert behandelt werden, sei unschön. Trotzdem stelle sich der Regierungsrat nicht gegen den Kompromiss.
Die Debatte offenbarte einen an der Grenze von Links-Grün und den bürgerlichen Fraktionen gespaltenen Rat. Den Ausschlag zur Zustimmung gaben die Ratsmitglieder der Grünliberalen. Es sei an der Zeit, diesen Schritt zu vollziehen, sagte GAB-Sprecherin Fleur Weibel. Sie wies darauf hin, dass die Westschweizer Kantone Neuenburg und Jura dieses Stimm- und Wahlrecht bereits kennen würden. Basel-Stadt könne wie einst bei der Einführung des Frauenstimmrechts eine Vorreiterrolle in der Deutschschweiz einnehmen, sagte sie. SP-Sprecher Mahir Kabakci sprach gar von der Chance, mit der Aufhebung dieses Demokratiedefizits Geschichte schreiben zu können.
SVP-Sprecher Felix Wehrli warf der Ratslinken und der Regierung vor, am Volk, das bereits mehrmals Nein zu einer entsprechenden Vorlage gesagt habe, vorbeizupolitisieren. FDP-Sprecher Luca Urgese vertrat den Standpunkt, dass das Stimm- und Wahlrecht der Schlusspunkt eines Integrationsprozesses sein müsse, dem die Einbürgerung vorangehen sollte. Man sollte sich lieber darauf konzentrieren, die Einbürgerung zu erleichtern und damit zu fördern. Das letzte Wort wird die Stimmbevölkerung haben, da die Verfassungsänderung dem obligatorischen Referendum untersteht.
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