Ausgelagertes Asylverfahren
Flüchtlinge, die in Großbritannien um Schutz ersuchen, sollen nach Ruanda ausgeflogen werden / Experten halten das für fragwürdig.
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Fachleute weisen darauf hin, dass es sich bei Ruanda um den am dichtesten besiedelten Staat Afrikas handelt, der außerdem noch immer von enormen sozialen Spannungen bestimmt ist.
Auf den ersten Blick wirkt das Land mit seinen blitzsauberen Straßen und einem peinlich eingehaltenen Ordnungswesen wie ein afrikanischer Musterstaat. Doch wer hinter die Kulissen blickt, sieht noch immer den schlummernden Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi, der vor 28 Jahren zum brutalsten Völkermord der jüngeren Zeitgeschichte führte. Westliche Regierungen halten Präsident Paul Kagame zugute, das vom Genozid zerstörte Land zu einer zumindest in Teilen modernen afrikanischen Ökonomie aufgebaut zu haben. Doch der Fortschritt kam auch unter Einschränkung wesentlicher Menschenrechte, vor allem der Meinungs- und Pressefreiheit zustande. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden unter Kagames Herrschaft zahllose Oppositionelle und Journalisten verhaftet oder umgebracht.
Dass sich Kagame zur Unterzeichnung der weltweit umstrittenen Vereinbarung mit London überhaupt bereit erklärte, wird vor allem mit der finanziellen Vergütung erklärt: Ruanda soll in den kommenden fünf Jahren fast 150 Millionen Euro erhalten, um die Anträge Zigtausender von Asylsuchenden zu bearbeiten und diese gegebenenfalls ins Land zu integrieren. Was mit den abgelehnten Asylsuchenden geschieht – oder mit jenen, die nicht in Ruanda bleiben wollen – wurde bislang nicht bekannt.
Diplomaten in Kigali weisen auf den Prestigegewinn Kagames hin: Er könnte sich in Zukunft als Schlüsselfigur zur Lösung des weltweiten Migrantenproblems präsentieren und wäre in Zukunft vor allem vor britischer Kritik gegenüber seiner Menschenrechtsbilanz gefeit. Denn in ein zweifelhaft regiertes Land würde London ja keine Asylsuchenden verfrachten. In einer Presseerklärung zur Unterzeichnung des Deals preist Kigalis Regierung das Land als einen der "sichersten Staaten" der Welt: Ruanda werde jetzt zur Lösung des "weltweit gescheiterten Migrations- und Asylsystems" beitragen. Die Partnerschaft zwischen Kigali und London schaffe sowohl für Migranten wie für Ruander "einzigartige persönliche und professionelle Entwicklungschancen".
Schon jetzt leben in Ruanda fast 130 000 Flüchtlinge – vor allem aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo (DRC) und Burundi. 90 Prozent von ihnen leben in Flüchtlingslagern, in Mahama, dem größten unter ihnen, sind mehr als 55 000 Menschen untergebracht. Schon in der Vergangenheit erklärte sich Kigali wiederholt zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit, etwa aus Israel, Afghanistan und Libyen. Zwischen 2014 und 2017 sollen mehrere tausend eritreische und sudanesische Flüchtlinge aus Israel nach Ruanda gebracht worden sein. Offenbar hält sich heute kaum noch einer von ihnen im Land auf. Das Projekt wurde schließlich abgebrochen.
Die Asylsuchenden aus Großbritannien sollen in Hotels untergebracht werden, die wegen der Corona-Krise ohnehin weitgehend leer stehen, heißt es in Kigali. Presseberichten zufolge wurde allerdings auch schon ein Heim geräumt, in dem bisher Waisen des Völkermords untergebracht waren.
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