#inFreiburgzuhause

"Auch Kultur hat ihren Preis"

Anzeige Im Gespräch: Darwin Zulkifli vom Kulturaggregat e.V. ist Teil des Organisationsteams von #inFreiburgzuhause. Er sieht in der Plattform eine Chance, der Freiburger Kulturszene in der Corona-Krise zu helfen.  

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  | Foto: Felix Groteloh
Foto: Felix Groteloh
Herr Zulkifli, Sie sind mit dem Kulturaggregat Kooperationspartner bei #inFreiburgzuhause. Wie kam es dazu und welche Rolle spielen Sie?
Die FWTM lud mich zu einem Vorgespräch mit der Sparkasse ein. Ich habe schnell gemerkt, dass #iFz neben unserem Kulturaggregat-Videoformat "KArantöne" eine weitere sehr gute Idee und Möglichkeit ist, die Kulturszene während der Lockdown-Zeit sichtbar zu machen und zu unterstützten. Deshalb habe ich mich gerne an der Entwicklung des Konzepts beteiligt. Ich sitze nun mit im Orga-Team und bringe mich ein, wo ich kann.

Was ist das besondere an #inFreiburgzuhause?

#inFreiburgzuhause ist ein durch Sponsoren finanziertes Förderprogramm, für das sich jede Spielstätte in Freiburg bewerben kann. Je nach Größe erhält der Veranstaltungsort einen bestimmten Betrag, um die Kosten für Technik, die Künstler-Gage und die eigenen Ausgaben weitgehend zu decken. So können Veranstaltungen ohne Zuschauer und Eintrittsgelder realisiert werden. Danach liegt es an der Spielstätte und den Künstler*innen, ihre Community für den Stream zu begeistern und – noch viel wichtiger – zur Zahlung eines freiwilligen finanziellen Beitrags zu animieren. Wir haben uns bewusst gegen einen Bezahlschranke entschieden, damit das Angebot für jeden zugänglich ist. Trotzdem sollte sich das Publikum bewusst sein, dass Kultur Kosten verursacht, die irgendjemand tragen muss. Die Qualität von Bild und Ton ist uns ein wichtiges Anliegen, damit die Videos live und als Aufzeichnung nah an eine Fernsehqualität herankommen. Während des Livestreams gibt es zudem eine Chatfunktion, damit die Zuschauer live interagieren können. Für mich ein rundes Konzept, das Spielstätten, Künstler*innen und Technikdienstleister unterstützen kann.

Die erste Runde endete Anfang August und #iFz ging in die Sommerpause. Wie ist es gelaufen?

Ich bin sehr begeistert! Es haben sich viele unterschiedliche Spielstätten beteiligt. Dadurch ist ein sehr vielseitiges Programm entstanden: von Kabarett über Jazz, Rock, Blues, Metal, Punk, Rap bis hin zur Klassik und vielem mehr. Hier kann man gut sehen, wie vielfältig die Freiburger Kulturlandschaft wirklich ist. Die meisten Videos sind übrigens noch als Aufzeichnung auf der Seite abrufbar. Wir haben seit Ende März 21 Veranstaltungen in 18 Freiburger Spielstätten gestreamt. Das entspricht einer Fördersumme von ca. 50.000 Euro. Mit insgesamt 15300 Ansichten und 80.000 Verweilminuten. Im Durchschnitt sind 700 Euro pro Veranstaltung an freiwilligen Zuschauer-Beiträgen zusammengekommen. Davon werden 60 Prozent an die Spielstätten und Künstlern*innen ausgeschüttet und 40 Prozent verbleiben im Fördertopf, um weitere Livestreaming-Veranstaltungen aus Freiburger Spielstätten zu ermöglichen.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Die Spielstätten haben das Förderangebot sehr dankbar angenommen. Wie alle wissen, gehörten sie zu den Ersten, die vom Lockdown betroffen waren. Es gab und gibt immer noch keine Aussicht, mit Konzerten und Veranstaltungen kostendeckend zu arbeiten. Es war auch toll, die Freude der Künstler*innen auf der Bühne zu sehen und zu spüren. Obwohl es nicht einem Auftritt vor Publikum gleicht, ist es immerhin eine Möglichkeit, Kunst darzubieten und aufzutreten. Es fehlen natürlich die wichtige direkte Interaktion und das Feedback durch das Publikum. Doch allein zusammenzukommen, um gemeinsam Musik und Kunst zu machen und zu erleben, ist eine wichtige Wertschätzung für jeden Künstler und jede Künstlerin. Wenn solche Darbietungen durch finanzielle Publikums-Beiträge belohnt werden, ist allen Beteiligten geholfen. Verständlicherweise sind die Zuschauerzahlen im Sommer zurückgegangen – die Leute waren wieder öfters und länger draußen. So hat auch die Zahlungsbereitschaft abgenommen.


Wie lösen Sie diese Dinge? Gibt es Neuerungen, Änderungen oder Handlungsansätze?

Wir müssen es schaffen, die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass auch Kultur ihren Preis hat und letztlich nur von Einnahmen leben kann. Wir nennen die Unterstützung des Publikums zwar freiwilligen Beitrag, aber er sollte nicht als Spende verstanden werden, sondern er bezahlt quasi die Kultur. Ich glaube daran, dass das Konzept dieser Plattform der Kulturszene eine große Chance bietet, durch diese schwere Zeit zu kommen. Städtische Förderung, privates Sponsoring, Wertschätzung durch das Publikum und gegenseitige Solidarität unter den Spielstätten und Künstler*innen müssen weiterhin Hand in Hand gehen. #iFz will sein Projekt übrigens gemeinsam mit der Kulturszene weiterentwickeln. Es sind Runde Tische geplant, um Bedürfnisse zu ermitteln und in engen Absprachen neue Ideen zu entwickeln. Wie können wir Kultur auch in der nahen Zukunft während der Pandemie erlebbar machen? Wenn wir die Website #inFreiburgzuhause alle als gemeinsames Tool verstehen, können wir seine Potenziale viel effektiver nutzen!

Wie wichtig werden Kultur-Livestreamings im kommenden Herbst sein, wenn eine weitere Corona-Welle droht, es kalt wird und Einschränkungen in Innenräumen hingenommen werden müssen?

Ich denke, es wird ein sehr wichtiges Thema sein. Wenn aufgrund der Abstandsregeln nur mit einem Viertel des Publikums zu planen ist, dann können die Spielstätten langfristig unmöglich existieren. Hier könnte ein Stream mit einer Bezahlfunktion die nicht gedeckten Kosten ausgleichen. Aber dazu muss die Bereitschaft und das Verständnis des Publikums wachsen, dass ohne seinen finanziellen Beitrag für ein Livestreaming keine Konzerte mehr möglich sein werden. Oft wird auch vergessen, wie viele Menschen im Hintergrund daran arbeiten, ein Konzert in guter Qualität möglich zu machen: Stagehands, Tontechniker, Lichttechniker, Kameraleute und viele andere. Neben Miete, Personalkosten, Künstlergagen werden diese Produktionskosten im Normalfall nämlich weitgehend über den Eintritt refinanziert.

Haben Kultur-Livestreamings auch nach Corona eine Zukunft? Könnte sich ein Markt dafür entwickeln?

Auf jeden Fall. Ein Stream zu Hause auf dem Sofa wird zwar niemals das Gefühl eines Live-Konzerts ersetzen können. Das gemeinsame unmittelbare Erleben von Musik, Kunst und Kultur kann nicht in Worte gefasst werden, man kann es nur spüren – und das verbindet. Dennoch gibt es viele Menschen, die abends keine Zeit haben, auszugehen. Sie müssen sich um Familie und Kinder kümmern, können es sich zeitlich oder finanziell nicht leisten oder sind gesundheitlich nicht in der Lage dazu. Da kann ein Live-Stream die Teilhabe am Nachtleben in der eigenen Stadt ermöglichen. Das schafft kein Fernsehsender.

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