Athen setzt auf Abschreckung
Griechenland gerät mit seiner Migrationspolitik international zunehmend unter Druck / Vorwürfe illegaler Push-Backs häufen sich.
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. Griechenland gerät wegen des Umgangs mit Migranten immer stärker in die Kritik. Schutzsuchende berichten von Misshandlungen und sogenannten Push-Backs. Hilfsorganisationen kritisieren die schlechte Versorgung in den Lagern. Die Regierung dementiert, aber jetzt ermittelt auch die UN-Flüchtlingsagentur. Eine Serie von Todesfällen an der türkisch-griechischen Grenze hat zudem einen diplomatischen Schlagabtausch zwischen Ankara und Athen ausgelöst.
Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis sprach von einer "Tragödie", wies die türkische Darstellung aber als "völligen Unsinn" zurück. Die Migranten hätten niemals die Grenze zu Griechenland überquert. Der Türkei machte Mitarakis Vorwürfe, weil sie solche "gefährlichen Reisen" nicht unterbinde. Aussage steht gegen Aussage.
Am Wochenende meldeten sich allerdings angebliche Beteiligte zu Wort. Eine türkische Nachrichtenagentur veröffentlichte mehrere Interviews mit Migranten, die nach eigener Aussage zu der betroffenen Gruppe gehörten. Sie haben demnach am 31. Januar die Grenze zu Griechenland überquert, wurden dort von Grenzpolizisten aufgegriffen und in ein Lager gebracht. "Sie haben uns Kleidung und Schuhe ausgezogen, die Mobiltelefone abgenommen und uns nackt über die Grenze zurückgeschickt", berichtetet der Syrer Mustafa Ahmet. Eine Sprecherin der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR kündigte an, man werde den Vorgang untersuchen.
Ankara und internationale Hilfsorganisationen werfen Griechenland seit langem vor, dass Küstenwache und Grenzpolizisten Migranten gewaltsam zurückdrängen. Diese sogenannten Push-Backs, Aktionen, bei denen Migranten zurückgedrängt werden, sind nach der europäischen Menschenrechtskonvention verboten. Laut der Hilfsorganisation Aegean Boat Report gab es 2021 in der Ägäis 629 solche Push-Backs mit rund 16 000 Betroffenen. Die Athener Regierung bestreitet die Vorwürfe. Sie bezeichnet ihre Migrationspolitik als "hart aber gerecht".
Die Berichte über Push-Backs und Misshandlungen sind allerdings längst zu zahlreich und zu glaubwürdig, als dass man sie als Erfindungen abtun könnte. Viele Fälle sind gut dokumentiert, etwa das Schicksal der iranischen Asylsuchenden Parvin A. Sie beschuldigt griechische Grenzbeamte, sie sechs Mal in die Türkei zurückgeschickt zu haben. "Ich wurde mit Handschellen gefesselt, man hat auf mich geschossen, mich mit Tränengas malträtiert, gefoltert und fast umgebracht", sagte die Frau in einem Video, das vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte in Berlin veröffentlicht wurde. Einen Asylantrag durfte die Iranerin nicht stellen. Parvin A., die ihre Darstellung mit Videos und Standortdaten ihres Handys untermauern kann, hat jetzt eine Beschwerde vor dem UN-Menschenrechtsausschuss eingereicht.
Mit dem Verfahren könnte die griechische Regierung in Erklärungsnot kommen. Sie kritisiert allerdings, dass es sieben Jahre nach der Flüchtlingskrise immer noch keine Reform der EU-Asylpolitik gibt. Erstankunftsländer wie Griechenland müssen die Schutzsuchenden aufnehmen und ihre Asylanträge bearbeiten, obwohl die große Mehrheit in andere Staaten will, vor allem nach Deutschland. Auch die 2016 zwischen der EU und der Türkei geschlossene Flüchtlingsvereinbarung bewährt sich aus griechischer Sicht nicht. Darin hatte sich die Türkei verpflichtet, alle irregulären Migranten zurückzunehmen, die über ihr Gebiet Griechenland erreichen. Tatsächlich aber hat die Türkei seit März 2020 keinen einzigen Migranten zurückgenommen.
Die seit Sommer 2019 amtierende konservative griechische Regierung setzt vor allem auf Abschreckung. Die Strategie ist völkerrechtlich fragwürdig und humanitär umstritten, aber sie scheint aufzugehen: Die Zahl der Schutzsuchenden, die nach Griechenland kamen, ist von 82 564 im Jahr 2019 auf 8765 im vergangenen Jahr zurück.
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