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Angela und ihre Herzensmutter

Michail Krausnick widmet sich in "Auf Wiedersehen im Himmel" der Verfolgung der Sinti unter dem Nationalsozialismus.  

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Angela Reinhardt wird ihrem Vater Franz und ihrer Herzensmutter Appolonia Krämer weggenommen, weil die Eltern zum Volk der Sinti gehören. Die Nazis hatten den Sinti das Reisen durch den so genannten "Festschreibungserlass" verboten. Das war der Anfang der Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen gegen dieses Volk. Franz und Appolonia sind nicht verheiratet und fliehen in die Wälder der Schwäbischen Alb. Nach einem Eisenbahnunglück hat Franz nur noch einen Arm, aber es gelingt ihm, seine Familie durch den Winter zu bringen. Er ist Korbflechter, Appolonia verkauft die Körbe an die Bauern. Sie werden als "letzte Waldzigeuner" der Schwäbischen Alb eingefangen und zum Straßenbau zwangsverpflichtet, aber sie schaffen es zu flüchten.

An einem Frühlingstag, als die kleine Familie unter einem blühenden Kirschbaum sitzt, werden Angelas Eltern gefangen genommen und sie selbst kommt zu Erna Schwarz, ihrer leiblichen Mutter, die aus ihr ein ordentliches Kind machen will. Angela muss in die Schule gehen. Sie fühlt sich ungeliebt, hat Sehnsucht nach dem Vater und ihrer Herzensmutter, läuft in den Wald, verweigert das Essen, bis das Jugendamt eingreift und sie in ein katholisches Heim nach Leutkirch und dann ins Kinderheim Heilige St. Josefspflege in Mulfingen einweist. In diesem Sammellager für württembergische Sinti-Kinder, deren Eltern in die Konzentrationslager deportiert worden waren, gerät Angela als "Zigeunermischling" in die Hände der "Rassenforscherin" Eva Justin.

Am 9. Mai 1944 sind 39 Kinder aus der St. Josefspflege nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Angela gehört nicht dazu, weil sie den Mädchennamen ihrer leiblichen Mutter trägt und ihr eine Nonne durch eine Ohrfeige das Leben rettet.

Michail Krausnick, der sich schon in "Da wollten wir frei sein" mit Leben und Leiden der Sinti beschäftigt hat, macht in einer Mischung aus Erzählung und Dokumentartext auf ein verdrängtes Thema aufmerksam. Das Buch hat ein informatives Nachwort und einen Anhang, der den Brief einer Mutter, deren drei Kinder nach Auschwitz deportiert worden sind, an die "werte Schwester Oberin" enthält. Ein Bericht des damaligen Pfarrers aus Mulfingen (Auszug aus dem Kirchenbuch, 1944), zahlreiche Fotos und eine Literaturliste ergänzen die Geschichte und geben ein erschütterndes Bild aus einer barbarischen Zeit, in der Kinder ermordet wurden, weil sie einer "minderwertigen Rasse" angehörten.

Angela Reinhardt hat ihren Vater und ihre Herzensmutter wieder gefunden und ist heute 66 Jahre alt. Sie selbst kommt auch zu Wort. Sie berichtet von ihren Kindheitserlebnissen und von ihrer Trauer um die Kinder der St. Josefspflege. Dieses Buch sollte neben dem Tagebuch der Anne Frank zur Pflichtlektüre deutscher Schüler gehören.
– Michail Krausnick: Auf Wiedersehen im Himmel. Die Geschichte der Angela Reinhardt. Arena Verlag,176 Seiten, 6,50 Euro. Ab 12

Ressort: Zisch

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