Als Sashas Rock in Brand geriet

Hassverbrechen oder Scherz? Dashka Slater dokumentiert in "Bus 57" eine wahre Geschichte.  

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Oakland, Kalifornien. Zwei 16-jährige in einem Bus. Genauer: in Bus 57, der sämtliche Stadtviertel auf knapp 18 Kilometern durchquert, in dem alte Menschen auf junge treffen, reiche auf arme, weiße auf schwarze, männliche auf weibliche und solche, die sich keinem Geschlecht allein zugehörig fühlen. Solche wie Sasha: "Sasha geht in die zwölfte Klasse einer kleinen, privaten Highschool und identifiziert sich als agender – weder männlich noch weiblich."

Das Ereignis, von dem die Journalistin Dashka Slater erzählt, ist 2013 so passiert: Der afroamerikanische Teenager Richard steckte den Rock des/der gleichaltrigen genderqueeren Jugendlichen Sasha in Brand, während diese/dieser in einem Bus schlief. Sasha erleidet Verbrennungen ersten und zweiten Grades an den Beinen und muss mehrfach operiert werden. Richard wird gefasst und verurteilt. In der Dokumentation "Bus 57", die die mehrfach ausgezeichnete Journalistin nun als Jugendbuch verfasst hat – einen entsprechenden Essay hat sie in der New York Times veröffentlicht –, beschäftigt sie sich auf der Basis umfassender Recherchen mit Opfer und Täter, Sashas Krankenhausaufenthalten und der US-Justiz. Die hatte zu beurteilen, ob es sich um ein sogenanntes Hassverbrechen handelte und ob für Richard Erwachsenen- oder Jugend-Strafrecht angewendet werden sollte – was nahezu alle Beteiligten, selbst Sashas Familie, verhindern wollten. Die Fragen, die das Gericht stellte, sind auch die, die sich die Leserinnen des Buches stellen (müssen): Hat Richard den Rock vorsätzlich angezündet, weil er queere Menschen wie Sasha hasst? Oder war es einer seiner üblichen derben Scherze, die in der Gruppe, mit der er unterwegs war, immer gut ankamen?

Viele unterschiedliche Stimmen aufgezeichnet

Was, wenn Sasha, dessen Geburtsname Luke ist – er hat sich seit seinem Outing umbenannt –, keinen Rock, sondern eine Hose getragen hätte: Hätte das Richard auch zu seiner Tat animiert? Oder war sie Folge eines Gesellschaftsbilds, in dem es nur Männer und Frauen zu geben hat?

Das Buch erzählt im ersten Kapitel ausschließlich von Sasha, der in seinem Umfeld keinerlei Probleme hat. Im Gegenteil, sein – oder "siers", wie Slater durchgängig schreibt – unkonventionelles Verhalten wird positiv gesehen. Das zweite Kapitel, das Richard gewidmet ist, geht auf seine scheinbar immer gut gelaunten Blödeleien ein, obwohl er mit seinen Kumpanen schon wegen Prügeleien aktenkundig war und auch des Raubs bezichtigt wurde: "Er spielte Leuten Streiche, wie ihnen Ketschup aufs Gesicht zu schmieren, während sie schliefen (. . .). Für einen guten Lacher tat er alles." Immerhin: Richards Gewissensbisse – wie auch Sashas Leiden – werden deutlich beschrieben.

"Bus 57" fächert eine Reihe subjektiver Einschätzungen der Charaktere der Jugendlichen und mengenweise Sachinformationen über amerikanische Verhältnisse auf, speziell derer in Kalifornien. Das liest sich nicht wie ein stringent erzählter Plot. Und durch die vielen unterschiedlichen Stimmen, die Dashka Slater aufzeichnet, macht sie keine gefühligen Identifikationsangebote. Ihr außergewöhnliches Jugendbuch liefert eine Mischform aus Reportage und Dokumentation über die diskriminierende Haltung gegenüber Menschen, die aus der gewohnten Normalität fallen und darüber, wie das amerikanische Rechtssystem mit junge Schwarzen umspringt.

Dashka Slater: Bus 57: Eine wahre Geschichte. Aus dem Amerikanischen von Ann Lecker. Loewe Verlag, Bindlach 2019. 400 Seiten, 18,95 Euro. Ab 14.
Schlagworte: Dashka Slater, Ann Lecker, Sasha in Brand
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