Abschied eines Besonderen
An diesem Samstag, wenn der SC Freiburg bei Eintracht Frankfurt antritt, wird Nils Petersen (34) letztmals im Kader des SC Freiburg stehen. Eine große, eine besondere Karriere geht zu Ende.
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Was folgte, war eine besondere Karriere, die irgendwie ungewöhnlich war. Als Torschützenkönig der zweiten Liga wurde Petersen 2011 vom FC Bayern München verpflichtet. Ein Riesenschritt für einen 22-Jährigen. Vielleicht auch ein Stück weit zu riesig für den Menschen Nils Petersen. "Du kannst nicht einfach sagen: Ich mach’ jetzt hier den Larry und erzähle ein paar Geschichten. Das passt nicht zu mir", hat er mal gesagt: "Bei mir ist es eher so, dass ich mich immer ein bisschen kleiner mache, als ich wahrscheinlich bin." Doch Kleinmachen ist nicht angesagt bei einem Club wie den Bayern. Es hatte seine Gründe, warum Petersens Zeit in München nach einem Jahr wieder endete.
Sein Glück hat er trotzdem gefunden. Beim SV Werder Bremen, danach beim SC Freiburg. Standorte, an denen nicht allein die fußballerische Qualität eines Spielers gesehen wird. Es erstaunt nicht, dass Petersen an Weser und Dreisam zum Publikumsliebling wurde. Für die SC-Fans ist er bis heute ihr "Fußball-Gott".
Natürlich hat das auch mit Toren zu tun. Mit vielen Toren. In Freiburg wurde Petersen zum Rekord-Joker in der Bundesliga-Historie (34 Treffer). Und natürlich ist er Rekord-Torschütze des Vereins (105 Pflichtspieltreffer). Abgelöst hat er dabei einen gewissen Joachim Löw. "Ich glaube, der Bundestrainer kann das verkraften", scherzte Petersen, als es seinerzeit soweit war.
Noch wichtiger als seine Treffer war für den SC Freiburg aber wohl, dass Petersen 2015 trotz des Abstiegs in Liga zwei nach einiger Bedenkzeit zurückkehrte und fest verpflichtet werden konnte. Als der Deal seinerzeit in der Freiburger Fußballschule in der Halbzeitpause eines Testspiels vom heutigen Sportvorstand Jochen Saier verkündet wurde, brach riesiger Jubel aus. Es war so etwas wie eine Initialzündung für das, was folgen sollte. Dem Sportclub gelang der direkte Wiederaufstieg (dank 21 Petersen-Toren) – und danach eine stetige Entwicklung hin zu einem etablierten Erstligisten, der inzwischen europäisch spielt und im DFB-Pokalfinale stand.
Petersens Entscheidung hinterließ seinerzeit mächtig Eindruck. Vor allem auch bei Christian Streich: "Nils weiß, dass es eine harte Saison wird, und er hat sich nicht das Einfachste ausgesucht. Das spricht für seinen Charakter und seine Ambitionen", sagte der SC-Coach damals. Bis heute hob er immer wieder die charakterlichen Vorzüge Petersens hervor. "Er ist ein Vorbild. Das ist alles kein Zufall. Alle lieben den Nils." Warum? "Christian Streich hat mal meine Mutter und meine Oma kennengelernt und nur gesagt: Das erklärt einiges", verriet Petersen: "Wir haben nicht so ein Chef-Angestellten-Verhältnis. Wenn wir uns begegnen, denkt jeder: Schön, sich zu sehen."
Die außergewöhnliche Trainer-Spielerbeziehung zwischen ihnen, hat beiden immer wieder aufs Neue imponiert. Und sie hat Petersen noch einmal in sportliche Sphären geführt, die er nicht mehr zu erreichen glaubte. 2016 gewann er mit der deutschen Auswahl bei den Olympischen Spielen in Rio Silber, im Mai 2018 nominierte ihn Bundestrainer Löw überraschend für den vorläufigen Kader für die WM 2018 in Russland. Erst kurz vor Turnierbeginn wurde Petersen gestrichen. A-Nationalspieler war er nun trotzdem. Die Enttäuschung darüber hielt nicht allzu lange an. Auch weil Petersen sich stets selbst gut einschätzen konnte. "Ich bin nicht der Spielertyp, der mit irgendwelchen Dribblings oder spektakulären Aktionen Zeichen setzen kann, sondern stehe am Ende der Nahrungskette", beschrieb er seine Stürmerqualität, die vor allem darin bestand, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – die Dinge vor dem gegnerischen Tor zu Ende zu bringen. In mehr als 290 Bundesligaspielen hat Petersen letztlich 88 Tore geschossen, die meisten davon für den SC Freiburg (68). In Freiburg gelang es ihm aber auch, ein anderes Selbstwertgefühl aufzubauen. "Ich definiere mich nicht nur über Tore", hat er irgendwann mal gesagt. Dass er es als zentraler Stürmer auf Laufleistungen um die 13 Kilometer im Spiel brachte, erfüllte ihn zusätzlich mit Stolz.
Die Kilometer sind zuletzt dann weniger geworden. Genau wie die Einsatzzeiten. Und die Tore. Die Entscheidung aufzuhören, ist dem inzwischen 34-Jährigen nicht leicht gefallen. Aber einer wie er weiß, wann es Zeit ist, aufzuhören. "Nur ab und zu einen Witz zu reißen und für gute Laune zu sorgen, das kann es nicht sein. " Das weiß auch Christian Streich. Der bevorstehende Abschied berührt ihn dennoch: "Ich kann es mir irgendwie gar nicht vorstellen, dass er nicht mehr auf dem Trainingsplatz steht, dass er nicht mehr bei uns in der Kabine ist."
Doch Gute-Laune-Onkel oder Herbergsvater – das entspricht nicht Petersens Selbstverständnis. Es hat ihn auch immer wieder genervt, "nur" Fußballprofi zu sein. Das hat er einst in einem viel beachteten Focus-Interview kundgetan: "Die Fußballbranche ist oberflächlich und wir Fußballer sind nicht so belesen", sagte Petersen: "Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann."
Auch da hat er sich mal wieder viel zu klein gemacht. Denn im Gespräch mit Petersen wird stets deutlich, dass so viel mehr in ihm steckt, als einem Ball hinterherjagen zu können. Man darf gespannt sein, wie es nun weitergeht für ihn. In anderer Position beim SC Freiburg? Oder macht Petersen etwas ganz anderes? Noch steht nichts fest. "Wahrscheinlich dann einfach Fan sein. Wir sind ja hier sesshaft. Daher freue ich mich darauf, das Spiel einfach mal als Fan zu begutachten. Und ansonsten ist es schön, auch mal keinen Plan zu haben."
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