Berlin

Kondome – seit 100 Jahren sind sie ein Massenprodukt

Gefühlsecht, extra-feucht, mit Noppen – Kondome gibt es in vielen Varianten. Das liegt auch an der industriellen Massenproduktion der Latex-Produkte. Sie begann vor 100 Jahren.  

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Kunterbunt und hauchdünn: Seit 100 Jah...den die Kondome maschinell gefertigt.   | Foto: dpa
Kunterbunt und hauchdünn: Seit 100 Jahren werden die Kondome maschinell gefertigt. Foto: dpa
"Fromms Act" hießen die 1916 zum ersten Mal maschinell produzierten Verhütungsmittel damals. Ihr Erfinder, Julius Fromm, hatte 1916 ein Patent auf den Herstellungsprozess erhalten. Bereits seit 1912 experimentierte Fromm in seinem Berliner Hinterhoflabor mit verschiedenen synthetischen Gummimischungen. Dabei gelang ihm die Fertigung hauchdünner Kondome, indem er Glaszylinder in verflüssigten Naturkautschuk tauchte, den Überzug vulkanisierte und abrollte.

Zunächst verkaufte er die Präservative in bescheidenem Rahmen über den Drogeriehandel, doch schon bald wurde er zu einem erfolgreichen Großfabrikanten. Allerdings brachten die Deutschen den jüdischen Geschäftsmann gleich zweimal um sein Lebenswerk – zuerst die Nazis, post mortem die Kommunisten.

Noch während des Ersten Weltkriegs stieg die Verbreitung der nun in Serie gefertigten Kondome sprunghaft an. Die deutsche, britische und französische Armee verteilte die Gummis, Angehörige der US Army bekamen sie nicht – und erkrankten weitaus häufiger an Geschlechtskrankheiten. Im Jahr 1919 stellte Fromm täglich 150 000 Kondome her und die "Frommser" eroberten die Schlafzimmer. Dabei halfen eindeutig zweideutige Werbeslogans wie "Wenn’s euch packt, nehmt Fromms Act" oder "Die Konkurrenz soll platzen".

Die Fromm’schen Kondome passten zur freizügigen Kultur der Weimarer Republik, zumal die ersten Gummikondome seit Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Schwächen hatten: Sie waren zwei Millimeter dick und ähnelten mit ihren wulstigen Nähten eher Fahrradschläuchen. Wesentlich dünner waren erst die von Fromm entwickelten Latexkondome, die heute nur noch eine Wandstärke von 0,06 Millimetern haben. Fromm musste aber weiterhin gegen moralische Bedenken der Kirchen und der Politik ankämpfen. Auf Reklameschildern prangte der Schriftzug "Echte Fromms Gummischwämme", denn öffentliche Werbung für seine Produkte war nicht erlaubt. Ab 1936 startete das antisemitische Hetzblatt "Der Stürmer" eine Kampagne gegen jüdische Geschäftsleute, auch Julius Fromm musste seine geliebte Heimat aufgeben. Seine Firma hatte einen Marktwert von rund acht Millionen Reichsmark, aber das Reichswirtschaftsministerium lehnte einen freien Verkauf ab. Auf Geheiß von Hermann Göring wurde sein Unternehmen Ende 1938 im Rahmen der "Arisierung" zum Spottpreis von 118 000 Reichsmark zwangsverkauft. Und zwar an Görings Patentante, Elisabeth Edle von Epenstein-Mauternburg.

Fromm musste ins Exil nach London gehen – plante nach Kriegsende aber seine Rückkehr. Doch seine Freude über den Untergang der Nazis währte nur kurz. Lediglich vier Tage nach der deutschen Kapitulation starb der 62-jährige am 12. Mai 1945 an Herzversagen. Als Opfer der Nazidiktatur hätten Fromms Erben – entsprechend dem Potsdamer Abkommen – die Fabriken zurückbekommen müssen. Die Funktionäre aus Ostberlin meldeten jedoch die Liegenschaften bei der Sowjetischen Militärverwaltung als herrenloses Gut und ließen sie dem Bezirk Köpenick übereignen. 1949 wurden die Fabriken von den Kommunisten in Volkseigentum überführt.

1947 kaufte Julius Fromms Sohn Herbert die Rechte am Markennamen von einem Vetter Görings zurück und schloss einen Lizenzvertrag mit der Bremer Hanseatischen Gummiwarenfabrik. Die daraus entstandene Firma MAPA erhielt nach langen Rechtsstreitigkeiten das Patent an Fromms Act. Das Unternehmen produziert inzwischen jährlich unter den Namen Billy Boy, Blausiegel und Fromms FF mehr als 80 Millionen Kondome. Insgesamt wurden 2014 in Deutschland 241 Millionen Präservative verkauft.
Schlagworte: Julius Fromms, Julius Fromm, Billy Boy
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