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Zweifel als Grundlage der Fan-Existenz

Bernhard Amelung
  • Sa, 28. Juli 2018
    Rock & Pop

     

Der Hamburger Rap-Musiker Daniel Ebel alias Dendemann ist beim Stimmen-Festival in Lörrach aufgetreten.

Dendemann Foto: Barbara Ruda
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Zum Auftakt etwas Philosophie. René Descartes’ berühmtester Satz lautet: Cogito, ergo sum. Lateinisch für "Ich denke, also bin ich". Denken als Grundlage der menschlichen Existenz wird bei Dendemann, bürgerlich Daniel Ebel, zu "Ich dende, also bin ich". Mit diesen Worten eröffnet er sein Konzert beim Stimmen-Festival. Der Hamburger Rap-Musiker, 1974 im westfälischen Wickede geboren, macht sich damit selbst zum Maßstab und Mittelpunkt seiner Kunst.

Er entscheidet auch, ob und wann er ein neues Album veröffentlichen wird. Im Dezember 2016 verließen er und seine Begleitband Freie Radikale Jan Böhmermanns ZDF-Satire-Show "Neo Magazin Royale", um mehr Zeit im Studio zu haben. Sein letzter Longplayer ist 2010 unter dem Titel "Vom Vintage Verweht" erschienen. In Lörrach sind es rund 1500 Gäste, die sein Konzert auf dem Marktplatz hören. Die Wortsalven, die der 44-Jährige in die Nacht herausrattert, sind voller Poesie. Seine raue, kratzige Stimme ist über alle Zweifel erhaben. Man nennt sie deshalb auch Reibeisenstimme. "Auch nach tausend Mal bleibt eins die derbste Zahl. Ich tu alles, als tät ich’s grad – zum ersten Mal", singt er. Der Song heißt "Das erste Mal" und ist 2006 auf "Die Pfütze des Eisbergs" erschienen, seinem Albumdebüt als Solokünstler.

Sein allererstes Mal als Rapper in der Öffentlichkeit hatte "Dende", wie ihn seine Fans liebevoll nennen, jedoch schon Mitte der Neunziger mit seinem Projekt Arme Ritter und Thomas Rensen unter dem Namen Eins Zwo. Dendemann singt ihr Stück "Danke, gut". Er lässt die Zeit aufleben, die man als Goldene Ära des deutschen Sprechgesangs bezeichnet. Die Bands aus dieser Zeit, allen voran Freundeskreis und die Absoluten Beginner, sprechen auch heute noch die breite Masse an. Die Konzertbesucher auf dem Lörracher Marktplatz sind entsprechend textsicher. "Es geht mir gut, es geht mir sehr sehr gut", rappen sie Dendemann hinterher. Er ist einfach immer ein paar Buchstaben schneller.

Stilistisch beziehen sich Dendemann und Die Freie Radikale auf die schwarzamerikanischen Wurzeln ihrer Musik. Er unterstreicht das auch mit seinem T-Shirt, das an das US-Rap-Duo Run The Jewels erinnert, das sich für die "Black Lives Matter"-Bewegung ausspricht. Funkige Bass-Licks rollen, Keyboard-Akkorde verhallen. Dendemann verlässt die Bühne. Kein Hinweis auf ein drittes Album. Es bleibt der Zweifel, die Grundlage der Fan-Existenz. Überwinden kann ihn nur der Glaube dass er, Dende, bald wiederkomme.

Ressort: Rock & Pop

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