Wir sind Zicken, und wir sind es gern
Das heilige Tier ist zu einem Schimpfwort geworden - doch daraus kann ein Weg zu Ruhm und Glück werden, sagt Renate Haen.
Kathrin Möschle
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OFFENBURG. Zicke! Wenn ich das höre, denke ich eigentlich nur an negative Eigenschaften. Eine Zicke ist widerspenstig, schnippisch, arrogant, auf irgend eine Weise tyrannisch und auf jeden Fall ein ausgekochtes Miststück. Dennoch würde es mir nicht allzu viel ausmachen, als Zicke beschimpft zu werden. Schließlich bin ich es gewohnt - wenn es bisher auch nicht persönlich, sondern eher kollektiv gemeint war. Ich gehe nämlich aufs Kloster und das ist ja bekanntermaßen die reinste "Zickenzucht".
Aber zurück zum Thema. Niemand und schon gar keine Frau braucht sich ihrer Meinung nach über den Ausdruck "Zicke" ärgern. Alle Schimpfnamen, die sich von einem weiblichen Tier herleiten, wie zum Beispiel "dumme Kuh", "alberne Gans", "miese Sau" oder "dämliches Schaf" genauso wie "blöde Zicke" entweihen ein ehemals heiliges Tier. Die Ziege und ganz besonders das Zicklein versinnbildlichten vor gut und gerne 3500 Jahren das "Wachsen und Gedeihen" und waren so eine Erscheinungsform der dreieinigen Großen Göttin. Renate Haen fordert also, diese positive Sicht wieder zurück zugewinnen. Das heißt nichts anderes als bewusst zickig und darauf stolz zu sein. Sie ruft alle Frauen auf, sich zu ihrem Eigensinn zu bekennen und die Selbstbehauptung des Männlichen gegenüber dem Weiblichen dadurch stärker einzuschränken.
Zickig sein und Zicken machen stammt von der Verhaltensweise des jungen Zickleins ab, das unvermittelt und ohne erkennbaren äußeren Grund Zickzacksprünge vollführt. Eine Zicke ist also wie schon gesagt eigenwillig und lässt sich nicht in vorgegebene Muster zwängen. Zickig zu sein bedeutet demnach auch Freiheit für sich selbst einzufordern. Die Autorin folgert daraus, dass jeder, der individuelle Ansprüche erhebt, zickig ist. Wer ist dann also keine Zicke? Ihre Antwort ist einfach: jeder, ob nun männlich oder weiblich, ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Zicke. Sie geht jedoch mehr auf die Frauen ein und unterscheidet sieben verschiedene Zickengattungen, die sich jeweils noch in einen offensiven und einen defensiven Typ unterteilen lassen.
Die offensive Zicke ist leicht als solche zu identifizieren, während sich eine defensive Zicke als lammfrommes Schäfchen tarnt. In einer dieser Erscheinungsformen kann sich wohl fast jeder wieder entdecken, zu mal es auch Kombinationen der verschiedenen Zickentypen gibt. Auf jeden Fall macht es Spaß, die Beschreibungen und Beispiele zu lesen und mitunter die eine oder andere Freundin darin zu entdecken.
Das erklärte Ziel einer jeden Zicke sollte die souveräne Zicke sein, die das Ideal einer selbstbewussten Frau verkörpert. Eine souveräne Zicke geht ihren Weg und sorgt dafür, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Dabei sind alle Tricks und Raffinessen erlaubt, solange sie sich positiv auswirken. Da könnte man es glatt schade finden, dass man noch nie als Zicke tituliert worden ist. In dem Buch gibt es auch einen Zickentest, mit dessen Hilfe man herausfinden kann, welchem Typ man angehört. Bei mir siegte mit einem eindeutigen Vorsprung die "Typ 1 - Ich mach das so wie ich will"-Zicke. Das klingt ja ganz gut, nur die Erklärung dazu passt mir allerdings überhaupt nicht in den Kram. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb ich etwas skeptisch dem Buch gegenüber bin. Was darin als zickig beschrieben wird, sind meiner Meinung nach lediglich Macken und Spleens. Nur weil man rastlos und ungeduldig ist und einem an Durchhaltevermögen fehlt (hektische Zicke, Typ 7), muss man noch lange nicht zickig sein. Natürlich ist es nie schlecht, wenn zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufgerufen wird, aber in dem Fall geht die Tendenz eher zu Egoismus und Rücksichtslosigkeit.
BUCHTIPP: Renate Haen, Das Zicken-Prinzip, Der weibliche Weg zu Ruhm und Glück; Ullstein-Verlag 2000; 14,90 Mark.
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