"Wir haben ihn gut integriert"

ZISCH-INTERVIEW mit Gabriela Höfflin, die zwei Jahre lang einen jungen Flüchtling aus Somalia in ihrer Familie betreut hat.  

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Gabriela Höfflin   | Foto: Privat
Gabriela Höfflin Foto: Privat

Im Rahmen des Zisch-Projektes sollte ich ein Interview zu einem beliebigen Thema führen. Im Moment beschäftigt mich das Thema Flüchtlinge sehr. Deshalb habe ich, Zisch-Reporterin Sofia Mack aus der Klasse 4 der René-Schickele-Schule in Badenweiler, mich dafür entschieden, meine Oma, Gabriela Höfflin, zu interviewen, weil sie sich bereit erklärt hat, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen. Dieser ist vor Kurzem ausgezogen. Folgende Fragen haben mich besonders interessiert.

Zisch: Wie kamst du auf die Idee, einen Flüchtling aufzunehmen?
Höfflin: Ich habe vor gut zwei Jahren in der Zeitung gelesen, dass Pflegeeltern für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gesucht werden, weil diese nicht in Asylbewerberheimen untergebracht werden sollen. Ich bin auch der Meinung, dass die Integration dieser Jugendlichen in Familien besser gefördert werden kann. Außerdem wollte ich selbst auch dabei helfen, deshalb habe ich mich mit meiner Familie besprochen und beschlossen einen "Uma", einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer, aufzunehmen. Wir wollten ihm dabei helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden und sich wohl zu fühlen.
Zisch: Wie heißt er und wie alt ist er?
Höfflin: Er heißt Hamza, kommt aus Somalia, und wurde im Februar 19 Jahre alt.
Zisch: Hamza lebte jetzt zwei Jahre bei euch in der Familie. Wie ist es euch in der Zeit ergangen?
Höfflin: Hamza ist sehr freundlich und respektvoll, das erleichterte das Zusammenleben sehr. Viele Dinge sind bei uns in Deutschland anders als in Somalia. Beispielsweise sitzt man dort beim Essen nicht am Tisch, sondern am Boden, und benutzt statt Besteck nur die Hände zum Essen. Hamza lernte sehr schnell die deutschen Gepflogenheiten. Er lebt mit den gleichen Rechten und Pflichten wie meine jüngste Tochter in unserer Familie. Auch er musste mit dem Hund gehen oder Dienste im Haushalt übernehmen. Damit wollte ich ihm die Selbstständigkeit später in einer eigenen Wohnung erleichtern.
Zisch: Hat Hamza die deutsche Sprache schnell gelernt?
Höfflin: Zu Beginn sprach Hamza kein deutsches Wort. Wir sprachen anfangs nur Englisch. Allerdings wiederholten wir das Gesprochene dann auf Deutsch und mit Händen und Füßen. Mittlerweile spricht er unsere Sprache schon sehr gut und kann sich überall verständigen.
Zisch: Geht Hamza zur Schule?
Höfflin: Ja, er geht jeden Vormittag zur Schule und möchte im Sommer sogar seinen Hauptschulabschluss machen.
Zisch: Was macht Hamza in seiner Freizeit?
Höfflin: Hamza ist ein begeisterter Feuerwehrmann und hat sogar die Grundausbildung und den Atemschutzlehrgang gemeistert. Dies wäre ohne seine Deutschkenntnisse nicht möglich gewesen. Außerdem hat Hamza an der Sportschule in Steinbach eine Ausbildung als Co-Trainer gemacht. Er hilft nun im Turnverein Müllheim mit, eine Jugendgruppe zu trainieren. Weiterhin spielt er im Turnverein Müllheim und in Staufen Basketball. Es ist schön zu sehen, dass Hamza seine Fähigkeiten und Fertigkeiten auch in den Dienst der Allgemeinheit stellt. Sowohl in der Feuerwehr als auch in den Turnvereinen hat Hamza viele Freunde gefunden.
Zisch: Hamza ist vor Kurzem in seine erste eigene Wohnung gezogen. Wie geht es dir dabei?
Höfflin: Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Natürlich freut es mich sehr, dass Hamza die Möglichkeit bekommen hat, selbstständig und unabhängig zu leben. Auf der anderen Seite fehlt er aber auch und wir vermissen ihn ein wenig. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir Hamza gut in unsere Gesellschaft integriert haben und ihm die deutschen Gepflogenheiten so näher gebracht haben, dass er gut auf ein selbstständiges Leben vorbereitet ist. Außerdem stehen meine ganze Familie und ich ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Schließlich ist er ja ein Familienmitglied! Außerdem sehen wir uns ja regelmäßig und können uns austauschen. Heute war er zum Beispiel zum Mittagessen bei uns und ist anschließend mit unserem Hund gelaufen.
Zisch: Würdest du wieder einen minderjährigen Flüchtling aufnehmen?
Höfflin: Bei denselben Gegebenheiten, die vor zwei Jahren waren, und in derselben familiären Situation würde ich es jederzeit wieder machen. Allerdings macht meine jüngste Tochter im Sommer ihr Abitur und möchte anschließend auswärts studieren und wäre damit ebenfalls aus dem Haus. Ich habe in den letzten 40 Jahren sechs, mit Hamza sieben, Kinder erzogen. Ich muss gestehen, ich freue mich jetzt auch auf eine Zeit, in der ich keine Erziehungsarbeit mehr leisten muss. Was ich aber auf jeden Fall noch festhalten möchte ist: Die Zeit mit Hamza war für mich und meine ganze Familie, zu der er ja mittlerweile auch gehört, eine einzigartige Erfahrung, die wir alle nicht missen wollen. Der Mut, jemanden aufzunehmen und sich mit ihm, seiner Herkunft und seiner Geschichte auseinanderzusetzen, hat uns echt bereichert. Wir mussten in den letzten zwei Jahren immer wieder demütig feststellen, wie gut es uns hier in Deutschland geht.
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