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Selbstversuch

Wie kann der Beschluss der Weltklimakonferenz im persönlichen Umfeld umgesetzt werden?

Die Klimakonferenz in Paris fordert energisches Handeln von den Regierungen. Unsere Autorin hat ausprobiert, was jeder einzelne tun kann und versucht, einen Tag möglichst klimaneutral in Freiburg zu leben.  

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Regional und bio: Frühstück vom Münstermarkt. Foto: Kathrin Müller-Lancé
Ökologischer Fußabdruck
Mein Weltrettungs-Tag beginnt auf der Internetseite "Footprint Deutschland". Ich habe alle Fragen zu meinem Lebensstil beantwortet – und damit meinen ökologischen Fußabdruck berechnet: erschütternd. Es gibt viel zu tun, aber in der Green City sollte das nicht allzu schwer sein.

Öko-Frühstück vom Münstermarkt
Um meine Klimakenntnisse aufzufrischen, habe ich mit Corinna Fischer telefoniert. Sie forscht am Öko-Institut über nachhaltigen Konsum und Verbraucherverhalten. Sie sagt: "Durch anständige Ernährung lässt sich eine ganze Menge bewirken." Ihre Tipps: Entweder regional und/oder bio einkaufen und weniger tierische Produkte essen. Um 1 Kilogramm Rindfleisch herzustellen, würden etwa 12 Kilogramm Getreide verbraucht.

Als Klimastreberin kaufe ich regional und bio ein – auf dem Münstermarkt. Am ersten Stand, bei der Demeter-Gärtnerei Piluweri aus Müllheim bemerke ich einen Anfängerfehler: Jutebeutel vergessen! Verkäuferin Sigrun Moser packt mir trotzdem meine Einkäufe in eine Plastiktüte – Äpfel und Birnen aus Bio-Anbau. Außerdem packe ich ins Frühstücks-Fahrradkörbchen: einen Laib Bauernbrot, einen Auberginenaufstrich von Hakuna Matata und frische Minze für Kräutertee.
Outfit-Check
Nach dem Frühstück geht’s weiter zum Outfit-Check. Ich treffe mich mit Sascha Klemz, Mitinhaber von "Zündstoff". Im Internet und in der Moltkestraße verkauft er "Fair and organic clothing". Das heißt: biologisch angebaute Materialien ohne Pestizide, Kunstdünger, Genveränderung und mit kontrollierten Arbeitsbedingungen. "Leute, die bei uns einkaufen, sollen nicht aussehen müssen wie vor zehn Jahren", gibt sich Klemz modisch. Wie auch Öko-Expertin Corinna Fischer setzt er zum Beispiel auf das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard). Ich schäme mich ein bisschen: Auf den Zettelchen meiner Kleidungsstücke stehen nur Bügelanleitungen – keine Siegel.

Was hält Sascha Klemz von meinem Outfit? Für den Mantel gibt’s schon mal Lob, weil er ein alter von Mama ist. "Es ist immer besser, Klamotten aufzutragen, als neue zu kaufen", sagt Klemz. Nicht so zufrieden ist er mit meinem Top. H&M, 4,99 Euro, made in Bangladesh. Nicht mal das Material, Baumwolle, überzeugt. Baumwolle brauche im Anbau extrem viel Wasser. Besser seien recycelte Stoffe – oder Kunstfasern. Meine Lederstiefel dagegen kommen gar nicht so schlecht weg. "Die guten Eigenschaften von tierischen Materialien lassen sich eben nicht so einfach ersetzen", sagt Klemtz.

Urban Gardening
Nachhaltigkeit auch am Nachmittag – mit Graham Smith bin ich verabredet zum Urban Gardening am Theater. Graham ist Künstlerischer Leiter für Junges Theater und Tanz. Nebenbei betreut er die Gartenanlage. Eigentlich wollten wir Feldsalat ernten, die Pflänzchen sind aber noch zu klein. "Das ist halt die Natur", sagt Graham. Warum er den Garten trotzdem wichtig findet? "Es geht hier nicht um Ästhetik. Unser Garten ist ein öffentlicher Platz, der von allen mitgestaltet werden kann. Er soll soziales Miteinander ohne Konsum möglich machen".

Wir stapfen zwischen den Beeten hin und her, probieren ein bisschen Sauerampfer, schauen nach dem Kohlrabi. Seit mehr drei Jahren gibt es die Beete am Theater jetzt schon. Und sollte das Ganze eines Tages doch platt gemacht werden, hat Graham auch schon eine Idee: "eine große Inszenierung – natürlich zu Wagner im Hintergrund."

Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt
Langsam wird es dunkel. Um mich möglichst klimaneutral fortzubewegen, bin ich schon den ganzen Tag geradelt. Nur: Normalerweise steige ich ab 17 Uhr in die Straßenbahn. Mein Dynamo ist nämlich kaputt. Die Selbsthilfewerkstatt der "Radgeber" soll das ändern. Das Besondere: Die Kunden können hier ihre Räder mit Profi-Hilfe selbst reparieren. Das kostet nur drei Euro pro Stunde. "Jacke kannst du da an die Garderobe hängen, Fahrrad runter in die Werkstatt fahren", leitet Mitarbeiter Ricardo Moutinho mich ein.

Ich erinnere mich beschämt meines Fußabdrucks und schaffe es, einen nagelneuen Designer-Dynamo ans Rad zu klemmen. Das macht schwarze Hände, ein gutes Gefühl und 20 Euro weniger im Portemonnaie.

Foodsharing
Zum Abschluss meines Öko-Tages will ich mich um das kümmern, was übrigbleibt. Klima-Expertin Corinna Fischer sagt: "Alles, was weggeschmissen wird, schadet dem Klima". Daher: Foodsharing. Lenka Holzapfel, 21, Studentin der Umweltwissenschaften, nimmt mich mit auf Tour. Etwa ein Mal die Woche klappert sie Geschäfte ab und sammelt übriggebliebene Lebensmittel ein. "Im Grunde genommen ist Foodsharing legales Containern", sagt sie.

An diesem Abend geht es auf den Weihnachtsmarkt. Wenn die Budenfenster schließen und der Glühweinpegel steigt, tüten manche Wirte ihre Reste ein. Lenka und ich ergattern belegte Brötchen und gebratene Kartoffeln. Das Essensammeln an sich ist weit weniger nervenkitzelig als erwartet. Einmal brav nachgefragt, Tüte bekommen oder nicht – und tschüss. Ein Wirt, der doch keine Reste hat, schenkt uns eine Bratwurst. Schade: Lenka ist Vegetarierin. Mit unserer Beute machen wir uns auf zum "Offenen Regal" in der Gartenstraße. Wer Hunger hat, nimmt sich was raus, wer sammeln war, tut was rein. Einen Teil unseres Essens laden Lenka und ich hier ab, den Rest packen wir selbst ein. Für mein Frühstück am nächsten Morgen ist also gesorgt. Und die belegten Brötchen sind gewiss nicht das Einzige, was ich von diesem Tag mitnehme.

Ressort: Freiburg

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