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"Wer sich nicht benimmt, fliegt raus"

ZISCH-INTERVIEW mit Annika Kaindl, die Gefangene an der Schule der Justizvollzugsanstalt Freiburg unterrichtet .  

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Annika Kaindl   | Foto: Privat
Annika Kaindl Foto: Privat

Die Zisch-Reporter aus der Klasse 4d der Lorettoschule haben die Lehrerin Annika Kaindl interviewt. Annika Kaindl ist nicht irgendeine Lehrerin. Sie arbeitet in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg und ihre Schüler sind erwachsen. Sie haben eine Straftat begangen und müssen eine Zeit lang "hinter Gittern" leben. Annika Kaindl hat uns vor den Herbstferien im Klassenzimmer viele Fragen beantwortet.

Zisch: Wie benehmen sich Ihre Schüler?
Kaindl: Die benehmen sich eigentlich immer gut. Die Schule der JVA darf ja nicht jeder Gefangene besuchen, sondern nur die, die sich benehmen können. Und wer sich in der Schule unangebracht verhält, fliegt aus der Schule raus.
Zisch: Was muss man studieren, um im Gefängnis Lehrerin zu werden?
Kaindl: Ich habe ein ganz normales Studium zur Grund- und Hauptschullehrerin absolviert.

Zisch: Müssen Sie sich öfters stark durchsetzen?
Kaindl: (lacht) eigentlich nicht. Manchmal muss ich einige ermahnen.
Zisch: Frau Kaindl, bekommen Ihre Schüler Strafarbeiten?
Kaindl: Nein.
Zisch: Sind Ihre Klassen bewacht?
Kaindl: Nein, ich gehe in ein ganz normales Klassenzimmer. Nur die Schüler und ich. Es unterscheidet sich ein bisschen von eurem. Hier ist alles schön bunt, und es gibt ganz viele Sachen. Das haben wir nicht. Wir haben einfach nur einen Raum, da stehen Tische drin und Stühle drin, es hat eine Tafel vorne und einen Schrank, der immer abgeschlossen ist. In dem Schrank sind ein Tageslichtprojektor, ein Lineal, ein Geodreieck für die Tafel, manchmal ein Wörterbuch. Ansonsten ist da nichts in dem Raum.
Zisch: Um wie viel Uhr beginnt der Gefängnisunterricht?
"Strafarbeiten bekommen

meine Schüler keine."

Kaindl: Der Unterricht fängt früh an. Die erste Stunde beginnt um 7.25 Uhr. Alle 45 Minuten gibt es fünf Minuten Pausen und um 9 Uhr einmal eine größere Pause von 20 Minuten. Um 11.45 Uhr gehen alle auf die Zellen, bekommen ihr Essen und werden eingeschlossen. Dann wird durchgezählt, ob auch keiner abgehauen ist. (Kinder lachen) Und dann geht’s weiter: Um 12.50 Uhr ist wieder Unterricht bis um 15 Uhr.
Zisch: Arbeiten Sie mit Computern?
Kaindl: Die Schule hat Computerräume, in denen die Schüler an zirka zwei Stunden pro Woche EDV-Unterricht haben. Diese Computer allerdings haben kein Internet, sondern nur die üblichen Office- Programme und andere Lernprogramme.
Zisch: Wieso muss man Erwachsene aus dem Gefängnis unterrichten?
Kaindl: Erwachsene müssen nicht unterrichtet werden, weil sie nicht, wie ihr, schulpflichtig sind. Viele von den Männern sind, als sie jung waren, nicht zur Schule gegangen. Sie haben keinen Schulabschluss. Manche sagen sich auch: Ich habe zwar einen Schulabschluss, aber ich hätte gern einen besseren oder, was wir auch anbieten, eine Berufsausbildung. Es gibt diese schulischen Angebote, damit die Männer, wenn sie wieder in Freiheit entlassen werden, nicht wieder dasitzen und sagen: Ich habe keinen Schulabschluss, ich habe keinen Beruf, ich kriege kein Geld – und dann vielleicht wieder eine Straftat begehen. Man versucht, ihnen neue Möglichkeiten zu eröffnen, damit sie nach der Haft ein besseres Leben führen können.
Zisch: Wie hoch ist die Schüleranzahl in Ihren Klassen?
Kaindl: In meinen Klassen ist sie relativ klein. Ich unterrichte jetzt in einer Klasse mit vier Schülern und in einer anderen mit sieben Schülern. Die größte Klasse dieses Jahr hat im Moment 13 Schüler. Aber das wechselt ständig. Es können jederzeit drei neue Schüler dazukommen. Nicht jeder wird schließlich im September zum Schulanfang verurteilt. Genauso gut kann es sein, dass ein Schüler aus der Schule rausfliegt, weil er etwas gemacht hat, was er nicht darf. Dann haben wir plötzlich wieder weniger. Es ist immer ein Kommen und Gehen. Die Schule hat insgesamt ungefähr 100 Schüler.
Zisch: Dürfen die Gefangenen auch nach draußen gehen?
Kaindl: Die Gefangenen haben eine Stunde am Tag Hofgang. Während der Schulzeiten gehen sie nicht raus. Auf den Hof dürfen sie erst nach der Schule, wie alle anderen Gefangenen auch.
Zisch: Wie lange arbeiten Sie am Tag?
Kaindl: Ich habe eine halbe Stelle und arbeite somit zwischen vier bis fünf Stunden pro Tag im Gefängnis.
Zisch: Wie lange arbeiten Sie schon im Gefängnis?
Kaindl: Seit 2001.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 23. November 2019: PDF-Version herunterladen

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