Wer gafft und Retter behindert, macht sich strafbar

Um Schaulustige bei Unfällen abzuschrecken, hat die Große Koalition Gesetze verschärft / Manchem geht das nicht weit genug.  

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Gaffer-Handys können beschlagnahmt werden.   | Foto: DPA
Gaffer-Handys können beschlagnahmt werden. Foto: DPA
Was sich im Sommer 2015 in Bremervörde abspielte, hat Boris Pistorius schwer schockiert. Damals filmten dort zwei Männer die Leichen zweier Unfalltoter, behinderten dabei Polizei und Rettungskräfte und gingen, als sie vom Ort verwiesen wurden, mit Gewalt gegen die Einsatzkräfte vor. Daraufhin machte sich der niedersächsische Innenminister für eine Strafverschärfung stark – mit Erfolg. Bundesrat und Bundestag haben gehandelt und einen neuen Straftatbestand gegen Gaffer eingeführt.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner aus Emmendingen sagt, dass ihn der Busunfall von Münchberg, bei dem am Montag 18 Menschen starben, fassungslos mache. Mit Blick auf das Geschehen in Münchberg sagt er: "Bei der strafrechtlichen Ahndung kann erstmals der neue, am 30. Mai in Kraft getretene Straftatbestand gegen Gaffer zu einer Bestrafung angewendet werden." Bislang, so Fechner, hätten Gerichte die Schaulustigen nicht bestraft, weil sie den Nachweis nicht erbracht sahen, dass die Behinderung der Rettungskräfte zum Tod des Unfallopfers geführt hat. "Zukünftig reicht allein das Behindern von Rettungskräften aus, um sich strafbar zu machen. Um das behindernde Gaffen nachzuweisen, kann die Polizei die Handys der Gaffer beschlagnahmen und deren Fotos auswerten."

Der Unfall von Münchberg bedeutet also juristisches Neuland: Er ist der erste große Fall, in dem die neue Strafvorschrift angewendet werden kann. Dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) höhere Bußgelder ins Gespräch bringt, greift aus Fechners Sicht zu kurz: "Wer aus Sensationslust die Rettung von Menschenleben blockiert, muss mit einer empfindlichen Geldstrafe oder Gefängnis bestraft werden." Auch Pistorius wird aufmerksam verfolgen, wie die Verfahren im Fall Münchberg ausgehen. Der SPD-Politiker hat im Bundesrat betont, dass er sich eine andere, das heißt weitreichendere Lösung gewünscht hätte. Es sei schlimm, wenn die Würde von Unfallopfern durch Videos und Fotos verletzt und dieses Leid auch noch öffentlich verbreitet werde. "Unser Ziel war es daher, dass bereits der Versuch, Aufnahmen der betroffenen Menschen und auch von Verstorbenen zu machen, unter Strafe gestellt wird und so zum Beispiel Smartphones vor Ort eingezogen werden können." Dieser Vorschlag sei in dem Gesetz, das den neuen Straftatbestand gegen Gaffer einführt, aber leider nicht berücksichtigt worden.

Die Große Koalition meint, dass Pistorius’ Anliegen keine separate Rechtsnorm nötig mache, weil es auch mit der geltenden Rechtslage erfüllt sei. Pistorius empfahl der Länderkammer ausdrücklich, dem Gesetz trotzdem zuzustimmen. Von der Gesetzesänderung gehe ein erheblicher Abschreckungseffekt für potenzielle Gaffer aus. Die öffentliche Debatte, die nach Bremervörde entstanden sei, habe bei vielen Menschen für einen Sinneswandel gesorgt. Dass seit Ende Mai die neue Strafnorm gilt, hat sich – wie das Geschehen in Münchberg zeigt – allerdings noch nicht überall herumgesprochen.

Bremervörde war für Pistorius und viele andere Politiker auch ein Schock, weil die Männer mit Gewalt gegen die Rettungskräfte vorgingen. Dass in den vergangenen Jahren vermehrt Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Sanitäter angegriffen wurden, steht fest. Deshalb hat die Große Koalition in dem Gesetz, das auf die Gaffer zielt, den Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften verstärkt. Die Höchststrafe für den Angriff auf Vollstreckungskräfte wurde von drei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht.

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