Literatur
Wenn Kriminautoren für den Faktencheck zur Polizei gehen
Wie lang dauert eine DNA-Analyse? Wie arbeitet eine Soko? Damit in Krimis Fakten stimmen, setzen Autorinnen und -autoren auf Expertise: Polizei und LKA helfen tatsächlich oft weiter.
dpa & Thomas Steiner
Do, 9. Jan 2025, 20:15 Uhr
Südwest
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"Immer wieder wenden sich Autoren mit Anfragen an uns", sagt Nadine Kollmar vom Polizeipräsidium Mannheim. "Sofern ein regionaler Bezug besteht und sich der Aufwand im Rahmen bewegt, geben wir gerne Auskunft", sagt sie. In der Regel passiere das telefonisch. "Wir erklären, wie die Polizei etwa bei einem Sterbefall möglichen Hinweisen nachgeht, geben aber keine taktischen Details preis", nennt Michael Schorr vom Freiburger Polizeipräsidium ein Beispiel.
Claudia Schmid wählte zu Beginn den direkten Weg: "Ich bin damals mit meinen Fragen einfach in eine Mannheimer Polizeiwache marschiert", erinnert sich die 64-Jährige. Als sie etwas aus ihrer Tasche zog – ihr Notizbuch – seien die Beamten zunächst in Habachtstellung gegangen. Daraus sei eine freundschaftliche Verbindung entstanden, Schmid wurde zur "Ehren-Kriminalkommissarin" ernannt. Wenn sich Fragen ergeben, wie lange etwa eine DNA-Analyse dauert, greife sie zum Hörer. "Aber letztlich schreiben wir Unterhaltung und kein Polizeihandbuch", räumt sie ein. "Dass nach einem Mord kein einzelner, womöglich mit Partnerschaftsproblemen belasteter Ermittler loszieht, sondern eine ganze Soko mit bis zu über 40 Personen an einem Fall arbeitet, ist klar."
Auch an das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart wenden sich Autoren, wenn sie Fragen zur Vorgehensweise bei bestimmten Szenarien haben. "Sie stellen in der Regel einen Fragenkatalog zusammen, den unsere Experten so gut wie möglich beantworten", teilt Alexandra Vischer mit. Eine Hospitation oder die Möglichkeit, den LKA-Fachleuten über die Schulter zu schauen, bestehe für Krimi-Autoren jedoch nicht.
Im Krimi ist erlaubt, was in der Realität nicht erlaubt ist
Ein Autor, der das gar nicht braucht, ist Walter Roth. Der Südbadener war früher Kriminalhauptkommissar im Bereich Drogenhandel, in der Kriminaltechnik und als Pressesprecher in Emmendingen und Freiburg. Im Ruhestand hat er vor zwei Jahren seinen Krimi "Der Dreisam-Mörder" veröffentlicht.
Auch er sagte damals der BZ: "Ich habe mittlerweile erkannt, dass es bei einem Krimi nicht darum geht, die Realität abzubilden, sondern dass man die Leute unterhält. Deswegen ist im Krimi das eine oder andere Mal erlaubt, was in der Realität nicht erlaubt ist." Seinem Buch merkt man aber an, dass er Bescheid weiß, es geht zum Beispiel um vom Mörder platzierte falsche DNA-Spuren. Sachkenntnis kann Krimis interessanter machen.
"Es gibt Kollegen, die den 'Tatort' am Sonntagabend regelrecht zelebrieren." Nadine Kollmar, Polizeipräsidium Mannheim
Und wie kommen die fiktiven Fälle bei den Beamtinnen und Beamten an? "Krimis werden von Polizisten sehr unterschiedlich wahrgenommen", sagt Kollmar. "Manche schauen oder lesen sie mit einem scharfen Auge fürs Detail und schmunzeln oder ärgern sich über Ungenauigkeiten, falsche Abläufe oder unrealistische Darstellungen." Andere könnten solche Dinge ausblenden und sich ganz von der Spannung mitreißen lassen.
"Es gibt Kollegen, die den 'Tatort' am Sonntagabend regelrecht zelebrieren und sich freuen, bekannte Themen oder Herausforderungen auf der Leinwand zu sehen – auch wenn die Darstellung oft zugespitzt oder dramaturgisch angepasst ist", so die Polizeisprecherin. Andererseits gebe es Beamte, die privat ganz bewusst Abstand zu aufwühlenden Geschichten suchten.
True-Crime-Podcasts schaffen Aufmerksamkeit - aber können auch verzerren
Ein noch relativ junges Phänomen aus Sicht der Polizei sind True-Crime-Podcasts. Diese könnten Chance wie Herausforderung für die Kriminalarbeit sein. Ähnlich wie bei Formaten wie "Aktenzeichen XY… Ungelöst" könnten sie in Einzelfällen dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ungelöste Verbrechen zu lenken und neue Hinweise zu generieren, erklärt Kollmar. "Durch die Reichweite und Popularität solcher Podcasts werden auch Fälle beleuchtet, die sonst vielleicht in Vergessenheit geraten wären, was für uns als Polizei durchaus positiv sein kann."
Eine ungenaue Darstellung oder die Interpretation von Beweisen durch Laien könne jedoch zu Missverständnissen führen und die Ermittlungsarbeit erschweren. Etwa, wenn Hinweise auf falschen Annahmen beruhen oder unnötig Ressourcen für die Überprüfung von Theorien aufgewendet werden müssen, die sich als unbegründet erweisen.
"Wir schätzen das Interesse der Öffentlichkeit an Kriminalfällen und sehen das Potenzial solcher Formate, unsere Arbeit zu unterstützen", sagt Kollmar. "Gleichzeitig appellieren wir an die Verantwortlichen von True-Crime-Podcasts, sorgsam mit sensiblen Informationen umzugehen und die Grenzen zwischen Unterhaltung und seriöser Berichterstattung klar zu ziehen."
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