Schuppige Angelegenheit
Wenn die Fischtierärztin gerufen wird geht es vom Guppy bis zum Koi
Sandra Lechleiter gehört gewissermaßen zu einer seltenen Spezies: Sie ist eine der wenigen Fischtierärzte in Deutschland. Als solche bekommt es mit Parasiten, Bakterien und Darmproblemen zu tun.
Marco Krefting
Di, 12. Jan 2021, 16:13 Uhr
Südwest
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So ist ihr auch Schwarzspitzen-Riffhai Attila besonders in Erinnerung geblieben: Kurz bevor sie ihn wegen eines Darmvorfalls operieren wollte, hatte sich das Problem von selbst erledigt und der raushängende Darmteil war wieder im Körper des Tieres verschwunden. "So spontan er rausgerutscht war, ist er auch wieder reingeflutscht."
Für die Untersuchung betäube sie die Fische in der Regel mit Hilfe eines Pulvers, das im Wasser gelöst wird. "An den Reflexen erkennt man, wie tief ein Fisch sediert ist", erläutert Lechleiter. Danach könne sie an Haut und Kiemen Abstriche machen. Eine Darmspülung sei hilfreich bei der Suche nach Parasiten. Bei größeren Tieren könnten auch einzelne Wunden behandelt werden.
Haltungsbedingte Krankheiten spielten ebenso eine Rolle - wie falsche Ernährung. Oder Schimmelpilze bildeten sich in falsch gelagertem Futter. Immer wieder müsse sie auch bessere Haltungsbedingungen wie größere Becken oder sauberes Wasser anmahnen, erzählt Lechleiter.
Laut Bundesärztekammer waren es nach jüngsten Angaben gerade mal 28 Aktive in ganz Deutschland. Das Gros kümmere sich um Nutzfische wie Forellen und Karpfen, die zum Essen gezüchtet werden, so Lechleiter. Sechs Tierärztinnen im Fischgesundheitsdienst arbeiten hierfür nach Angaben der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg an den Standorten Aulendorf, Freiburg, Fellbach und Karlsruhe. Auch die 57-Jährige (Sternzeichen Fische) ist über diesen Job auf den Fisch gekommen.
Sie hat sich aber entschieden, Zierfische behandeln zu wollen und 1998 eine Praxis gegründet. Weil Lebensmittel nicht mit Arzneimitteln belastet sein sollen, gehe es bei Speisefischen eher um Vorbeugung, sagt Lechleiter. Manchmal dürfe erkrankten Tieren dann nicht geholfen werden, obwohl es Medikamente gebe. Das sei auch ein tierethisches Problem. "Bei Heimtieren habe ich eher die Gelegenheit, zu helfen." 2006 siedelte sie mit "Fishcare" nach Neuenbürg (Enzkreis) um.
Montags und samstags ist sie in ihrer Praxis, dienstags bis freitags tourt sie durch die halbe Republik - die geringe Zahl an Fischärzten bringt auch ein großes Einsatzgebiet mit sich. Attila etwa schwamm in Zürich durch ein Becken, mitunter muss Lechleiter zu Patienten ins hessische Gießen. "Fürs Autofahren müssen Sie eine Passion haben."
Auch kranke Tiere gebe es zu genüge: "Es ist nicht so, dass ich nach Kunden fischen muss." Selten habe ein Arbeitstag nur acht Stunden. Sie versuche, Termine zu bündeln - drei bis zwölf an einem Tag. "Je nachdem, wo ich hin muss." Zum Glück gebe es nur wenige Notfälle.
Dieser Aufwand sei auch ein Grund, warum es an Fischtierärzten mangele. "Mehr Ansprechpartner wären aber nötig", meint Lechleiter. Manche allgemeinen Veterinäre ließen sich fortbilden. Und auch die Fischbesitzer seien gefragt: Weil manche Untersuchungsergebnisse erst nach einigen Tagen vorliegen, bleibt die Tierärztin mit den Haltern in Kontakt, die sich etwa um Quarantänebecken kümmern. "Die Besitzer machen einen tollen Job in der Weiterbehandlung." Für Interessierte bietet sie auch Kurse an etwa zum Mikroskopieren und Erster Hilfe.
Ob man einen Fischtierarzt ruft, hänge vom Wert der Tiere ab, sagt Jörg Scherle, Geschäftsführer von Koi Stuttgart. Mit Anfahrt koste ein Einsatz schnell 200 Euro oder mehr. Engpässe wegen der geringen Zahl an Experten gibt es nach seiner Einschätzung allenfalls im Sommer, bei höheren Wassertemperaturen. Und dann müsse es mitunter schnell gehen: "Wenn man sieht, dass ein Tier krank ist, dann ist das schon weit fortgeschritten." Dann blieben oft nur ein, zwei Tage.
Ein Problem aus Lechleiters Sicht: Manche Halter von Wassertieren wie Fischen, Schildkröten, Krebsen und Muscheln setzen die Tiere aus. "Die Annahme ist: In der freien Natur wird ein Tier schon wieder gesund. Aber da sind viele schlecht informiert", warnt die Expertin. Die Exoten aus aller Welt hätten oft Krankheiten, die schwere Schäden in der heimischen Fauna anrichteten. Daher sei das Aussetzen verboten.
Lechleiter selbst hält privat Guppys und Goldfische. "Ich habe keine Fische, die kompliziert sind und viel Pflege brauchen." Dafür fehle schlicht die Zeit. Und auch komme Fisch bei ihr auf den Teller. "Ich bin natürlich ein leidenschaftlicher Fischesser, weil ich weiß, wie gut die Tiere in Deutschland kontrolliert werden", so Lechleiter. "Das ist eines der besten Lebensmittel, die auf der Welt gedeihen."
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