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Gewinner Schreibwettbewerb Frühjahr 2014

"Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?"

Marie hat Trisomie 21. Olivia Larsen beschreibt einen Tag im Leben des sechsjährigen Mädchens und seiner Mutter.  

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"Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?" – Jetzt ist Steffi wach. Bei anderen Leuten klingelt morgens der Wecker, oder sie werden von den frühmorgendlichen Sonnenstrahlen wach, die sie in der Nase kitzeln. Verschlafen antwortet sie: "Bis zum Mond und wieder zurück". Glücklich kuschelt sich Marie an den vom Schlaf noch ganz warmen Körper der jungen Frau. Marie ist Steffis Tochter, sechs Jahre alt, sie hat das Down-Syndrom.

Es ist 6.30 Uhr, doch die Kleine ist schon seit mindestens zwei Stunden wach. Es ist jeden Morgen so, auch am Wochenende. Um Punkt 6.30 Uhr kommt sie in das große Bett von Steffi und flüstert ihr dieses Zitat aus ihrem Lieblingsbuch zu. Marie braucht diese alltägliche Routine, um sich wohl zu fühlen.

Als Steffi mit ihr schwanger wurde, stellte die Frauenärztin gleich fest, dass etwas falsch war. Die jetzt 20-Jährige war damals ein Teeny und ihre Mutter versuchte, ihr zu erklären, was passiert war. Und sie wollte, dass Steffi abtreibt. Doch als der das Mädchen Marie auf dem Ultraschall sah, konnte sie das nicht. Nach dieser Entscheidung wurde Steffi von ihrem damaligen Freund und Vater von Marie verlassen. Er wollte das alles nicht.

Am 2. Februar 2008 war es dann so weit. Marie war da. Und Steffi überglücklich. Sie hielt ein kleines Wunder des Lebens in ihren Armen. Immer noch wollten alle, dass Steffi sie weggibt. Doch sie behielt sie. Marie war von Anfang an ein ruhiges Kind. Sie schrie nicht und lachte viel. Doch seit sie drei ist, ist sie wie ein klassischer "Downie". Laut, offen und liebesbedürftig. Trotz der Doppelbelastung hat Steffi vor zwei Jahren ihren Schulabschluss gemacht. Seit Maries Geburt war sie immer bei ihr. Jeden Tag.

Wie auch sonst ist die junge Mutter an diesem Morgen froh, ihre Tochter zu haben. Nach dem Frühstück gehen sie in die Stadt. Marie braucht neue Schuhe. Aber bei der Geschwindigkeit, mit der Steffi und Marie laufen, kommen sie nie an.

Down-Syndrom-Kinder machen alles ein bisschen langsamer als wir "Normalen". Marie lässt sich leicht ablenken und von so einfachen Dingen begeistern. Ein Marienkäfer oder eine außergewöhnliche Farbe. Die Leute schauen komisch, wenn Marie sich mal wieder einfach so auf den Boden legt und vor Vergnügen laut auflacht. In solchen Situationen fragt Steffi sich manchmal, was in Maries kleinem Kopf vorgeht. Doch sie macht sich nichts aus den Gedanken anderer.

Jetzt haben die beiden endlich neue Schuhe gefunden. Rosafarbene, die blinken, wenn man sein Gewicht darauf verlagert. Zurück nach Hause braucht Marie noch länger als auf dem Hinweg. Jetzt muss sie noch die neuen Schuhe ausprobieren und überall herumrennen.

Zum Abendessen gibt es Brot und Salat. Nach dem Zähneputzen singen Steffi und Marie gemeinsam noch ein Gutenacht-Lied. Auch abends flüstert das kleine Mädchen ihrer Mutter dieses Zitat in die Ohren. Diesmal ist sie verschlafen und kann nicht mehr richtig artikulieren. Dann ist sie tief ins Land der Träume eingetaucht. Steffi würde jetzt auch gerne schlafen, doch sie muss jetzt noch aufräumen und putzen. Dafür hat sie den Tag über keine Zeit. Danach ist Steffi echt erledigt. Und schläft in Erwartung auf Maries süße flüsternde Stimme an ihrem Ohr ein.
Begründung der Zisch-Redaktion:

Der Text hat uns sehr gut gefallen, weil Olivia richtig in diese ihr fremde Welt der kleinen Marie und ihrer Mutter eingetaucht ist. Sie schildert sehr lebendig und ergreifend, wie die beiden durch den Tag kommen und mit welchen Problemen Steffi konfrontiert ist und war. Dass der Text von dem Zitat "Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab" eingerahmt wird, ist ein schönes und an dieser Stelle sehr passendes Stilmittel.

Ressort: Schreibwettbewerb Zischup

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